Sex don't sells!

01.08.2013 14:28

Werbung: Nichts Anhaben ist nicht genug!

Für den Bruchteil einer Sekunde machen erotische Bilder blind und lenken erheblich ab! Das haben Psychologen in mehreren Wahrnehmungsstudien mit Freiwilligen entdeckt. Offenbar fesseln Darstellungen, die mit Emotionen wie beispielsweise sexueller Erregung verknüpft sind, die Aufmerksamkeit des Betrachters so sehr, dass alle anderen Reize kurzfristig ausgeblendet werden. Den gleichen Effekt rufen auch Gewaltdarstellungen und andere emotionale Bilder hervor - ein Mechanismus, den die Forscher "Aufmerksamkeitsgaffen" nennen.

 

Für ihre Studie zeigten amerikanischen Psychologen um David Zald von der Yale-Universität, New Haven, den Probanden nacheinander hunderte von Bildern, auf denen Landschaften und Gebäude abgebildet waren. Die Testteilnehmer sollten in der Bilderserie Ausschau nach einem bestimmten Objekt halten. Zwei bis acht Bilder vor der gesuchten Abbildung fügten die Forscher ein Bild mit einem erotischen Motiv in die Reihe neutraler Bilder ein und beobachteten, ob dieses emotionale Bild einen Einfluss auf die Wahrnehmung der Probanden hatte.

Wenn Emotionalität die Wahrnehmung trübt

Je kürzer der Zeitabstand zwischen dem als erregend empfundenen Bild und dem Zielfoto war, desto häufiger verpassten die Probanden das gesuchte Objekt, zeigte die Auswertung. Das gleiche Ergebnis erzielten die Forscher auch, wenn sie statt der erotischen Bilder beunruhigende Motive wie eine Waffe oder einen verletzten Arm verwendeten. Das zeige, dass emotional aufwühlende Motive – egal, ob negativ oder positiv – die Aufmerksamkeit auf die gleiche signifikante Art und Weise beeinflussen, kommentieren die Psychologen.

"Beim Verarbeiten von Informationen gibt es eine Art Engpass, und wenn eine bestimmte Art von Reizen die Aufmerksamkeit fesselt, kann das diesen Engpass sozusagen verstopfen, und nachfolgende Informationen kommen nicht mehr durch", erklärt Studienleiter Zald diesen Sachverhalt, der uns in der Schule noch unter dem Stichwort der 'Reizschwelle' gelehrt wurde, welche unwichtige Informationen ausfiltern würde.

Interessanterweise waren jedoch nicht alle Probanden gleich anfällig für den Gaffer-Effekt: Diejenigen mit einem eher ängstlichen, vorsichtigen Naturell ließen sich von den emotionalen Bildern sehr viel länger ablenken als die, die auch sonst gut mit Angst und gefährlichen Situationen umgehen konnten. Insgesamt galt: Je konkreter die gestellte Aufgabe und je deutlicher die Anweisungen waren, desto besser schnitten die Probanden ab.

In Programmen mit erotischem Inhalt wirken Werbespots nicht

Sex ist nicht zwingend verkaufsfördernd! Fernsehwerbung in Programmen mit eindeutigem Inhalt wird schlechter wahrgenommen, haben wiederum britische Wissenschaftler herausgefunden. Ihrer Studie zufolge erinnern sich Menschen weniger gut an Werbeblöcke in Fernsehserien wie "Sex and the City", in denen Sexualität eindeutig dargestellt wird. Werbung in solchen Programmen lohne sich daher nur unter bestimmten Bedingungen und für gewisse Zielgruppen, folgern Ellie Parker und Adrian Furnham.

Parker und Furnham zeigten je dreißig Frauen und Männern Episoden von Fernsehserien, die von Werbeblöcken unterbrochen wurden. Sowohl die Sendungen als auch die Werbung unterschieden sich bezüglich der Darstellung erotischer Inhalte: Einige beschäftigten sich eindeutig mit Sex, andere dagegen überhaupt nicht. Mit einem Fragebogen bestimmten die Wissenschaftler anschließend, ob sich die Versuchsteilnehmer an die gezeigten Werbespots erinnern konnten.

Das Ergebnis: Bei Sendungen ohne Sex blieb die Werbung bei den Teilnehmern besser im Gedächtnis als bei den erotischen Programmen. Am schlechtesten war die Erinnerung an sexuell aufgemachte Werbung in einer Sendung mit ebenfalls sexuellen Inhalten. Menschen ließen sich also durch erotische Inhalte aufwühlen oder verwirren, glaubt Furnham. Ein ähnlicher Effekt sei auch bei Programmen gefunden worden, die Gewalt zeigten. Wenig erstaunt waren die Wissenschaftler über die Unterschiede zwischen Männern und Frauen: Männer konnten sich besser an sexuelle Werbung erinnern. "Sex lohnt sich in der Werbung nur, um Männern was zu verkaufen", so Parkers Fazit.

Sex don't sells!

"Sex sells!", lautet die altbekannte Devise der Werbebranche, die vor allem durch kaum bekleidete Frauen in TV-Spots und gedruckten Anzeigen zum Ausdruck kommt. Mehrere Studien aus Schweden und Großbritannien haben dagegen ergeben, dass sich Werbeexperten durchaus irren, wenn sie ihre Reklame für Mainstream-Produkte mit Sex würzen. Das "Sex sells"-Konzept funktioniert nicht mehr - zumindest nicht besser als andere Werbekonzepte und manchmal sogar schlechter. Hintergedanke des "Sex sells" ist der gängigen Marketing-Fachliteratur zufolge eine emotionale Strategie: Konsumenten sollen durch Lustgefühle erreicht werden. Obwohl die psychologisch-kognitive Forschung Sigmund Freuds stark triebgesteuertes Menschenbild inzwischen oft kritisch betrachtet, gilt es in der Werbewelt weiterhin als unumstritten.

Rationale, den Verstand ansprechende Werbung, wie sie für Waschmittel oder DSL-Anschlüsse eingesetzt wird, gilt dagegen als langweilig und altbacken. Dabei hat solche Werbung vor allem bei Jüngeren oft die bessere Wirkung, wie die Befragung von 700 schwedischen Jugendlichen im Alter von 15-18 Jahren ergab. Die Studie des britischen Marktforschungsinstituts Headlight Vision von 2004 mit Jugendlichen ergab sogar, dass jüngere Zielgruppen Werbung mit sexuellen Elementen mehrheitlich langweilig und teilweise sogar abstoßend finden. Studienleiterin Allison O'Keefe Wright macht eine gewisse Abstumpfung der jüngeren Verbraucher dafür verantwortlich: "In früheren Zeiten konnten Marken sexuelle Motive als zentrales Instrument verwenden, um Aufmerksamkeit zu erregen." Das sei inzwischen stark in den Hintergrund gerückt. "Heutzutage sind subtilere Hinweise und Anregungen viel kraftvoller", sagt Wright.

In der britischen Reklamewelt hat sich bereits ein neuer Trend entwickelt: Nostalgie. So sollen bekannte Marken emotional mit Sicherheit verknüpft werden. Gestützt werde dieser Trend durch die neue Angst der Verbraucher vor Terror, Unsicherheit und Krieg, so Wright. "Eine spielerische, an die Kindheit anknüpfende Metaphorik hat inzwischen großes Einflussvermögen.", meint die Forscherin abschließend. Dafür, dass die Mainstream-Medien nach der Ära der Sexualisierung der Werbung nun die Infantilisierung und das Schutzbedürfnis der Massen zur Verkaufsförderung anvisieren würden - dafür bieten aktuelle Reklamen jedenfalls genügend Beispiele, meine ich.

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