Die Evolution des Penis

17.03.2011 14:47

Fresko aus Pompeji

Neulich wurde über die Medien die Nachricht verbreitet, dass die Männchen unserer Vorfahren, evolutionsgeschichtlich betrachtet, in grauer Vorzeit wohl über einen Penisknochen verfügten. Ja, nicht nur das männliche Geschlechtssorgan der Schimpansen, sondern ebenso das vieler anderer Primaten und Säugetiere, verfügt unterhalb der Eichel über eine Art "Stachelkranz", der eigentlich weniger ein Knochen ist, sondern aus mit Keratin gehärteten Unterhautzellen besteht, wie bei den Finger- und Zehennägeln. Solch einem Penis mit "Widerhaken" schreiben die US-Wissenschaftler, die in der Zeitschrift 'Nature' über ihre Untersuchungen berichteten, nun verschiedene Funktionen zu.

 

Der Penisknochen, als eine Art Wulst oder kranz um die Eichel, könnte das kopulierende Paar damals wie mit Widerhaken aneinander gefesselt haben, bis der Samen vollständig in das Weibchen eingedrungen sei. Er könnte aber auch, so spekulieren die Forscher, die Reizung der weiblichen Genitalien verstärkt haben, damit der Höhepunkt schneller eintritt, was in Anbetracht großer männlicher Konkurrenz von evolutionärem Vorteil gewesen sein könnte.

Zur Analyse der evolutionären Veränderungen untersuchten die Wissenschaftler das Genom eines Schimpansen und glichen die Ergebnisse mit denen von Makaken (dem nähesten, niedrigen Verwandten) und von Menschen ab. Beim Übergang von Schimpansen zu Menschen seien 1,7 Prozent des Genoms verloren gegangen. Wiederum 87 Prozent dieses verloren gegangenen Anteils seien beim Neandertaler ebenfalls nicht mehr vorhanden, was belege, dass es in der Evolutionsgeschichte eine lange parallele Entwicklung von Neandertaler und Mensch gegeben habe.

Nur ein einziger der gegenüber dem Schimpansen verloren gegangenen Bereiche des Genoms wird durch ein Protein repräsentiert, was eine Gen steuernde Funktion hat. Diese Proteine docken an Androgen-Rezeptoren an, welche wiederum durch den Einfluss männlicher Geschlechtshormone die Ausbildung bestimmter Gewebetypen regulieren. Dabei handelt es sich (bei Schimpansen) um das Gewebe bestimmter Hirnregionen sowie um die Penisstacheln. Diese verlorenen Gene haben nun beim Menschen dazu geführt, dass er keinen Penisknochen ausgebildet hat, genausowenig wie Tasthaare, die es bei allen anderen Säugetieren gibt. Fehlt das heraus analysierte Protein bei Mäusen, so die Forscher, bildeten diese wiederum auch keine Tasthaare mehr aus.

Wie diese evolutionäre Recherche nun von den Wissenschaftlern interpretiert und bewertet wird, da muss mensch ihnen nicht folgen. Zum einen bedarf es, meinem Sexualkunde-Wissen gemäß, keines schnellen Höhepunktes beim Weibe, um sie zu befruchten und zur Geburt zu befähigen. Somit kann das keine Erklärung für die ursprünglichen Penisstacheln sein. Zum anderen erklären die Wissenschaftler den Verlust des Penisknochens mit der Monogamie. Weil sich eine 'Treuekultur' durchsetzte, bräuchten die weiblichen Genitalien nicht mehr so gereizt werden. Die sexuellen Begegnungen dauerten dadurch länger und der Konkurrenzdruck unter den Männern hätte abgenommen.

Vorher mit Widerhaken hätten die Kopulationen der Urmenschen auch lange gedauert, dachte ich eigentlich. Aus der männlichen Perspektive eines ewigen Geschlechterkampfes betrachtet, hätten die Penisstacheln nämlich auch den Effekt haben können, das Weibchen eher am Fortlaufen zu hindern, als ihm den bestmöglichen Orgasmus zu verpassen. Mit Verlaub, ohne selbst einen weiblichen Orgasmus erlebt zu haben, glaube ich bei der Vorstellung von Penisstacheln nicht, dass diese einen Orgasmus, bzw. Glück bringenden Effekt hatten. Ich stelle mir das sogar ziemlich schmerzhaft vor. Die Urweibchen waren bestimmt gegenüber den aggressiven, geilen Männchen ganz schön schreckhaft, und sehnten eine sexuelle Begegnung und Befriedigung nun wirklich nicht herbei.

Hatten sich die Männchen jedoch erstmal eingeklingt, mussten die Weibchen leider die schmerzhafte Prozedur der Penetration über sich ergehen lassen, bis der Penis des Urmenschen seinen Samen in das sich windende Weibchen ergossen hat, langsam erschlaffte, und ihr die Möglichkeit gab, sich heulend und mit wunder Votze ins Unterholz zu schlagen. Wenn wir uns im Tierreich die Kopulationen angucken, ist es keine Seltenheit, dass die Weibchen (zumindest in Zeiten der Empfängnis), Furcht vor den Männchen haben und diese anfauchen. Wo gemenschelt wird, wird dann behauptet, das Weibchen selektiere gerade das vielversprechendste Männchen heraus.

Was wir in jedem Fall feststellen können, bei der Evolution der Menschen und ihres Geschlechterverhältnisses: der Verlust des Penisknochens beim urzeitlichen Männchen konnte es den Gruppen und Gemeinschaften erlauben, liebevolle Beziehungen zwischen Männchen und Weibchen zu entwickeln sowie Nachkommen großzuziehen, ohne dass dabei unermesslicher Schmerz, Verletzungen und Todgeburten die Regel waren. Weiterhin ermöglicht uns ein fehlen des Penisknochens erst die evolutionäre Entwicklung einer liebevollen, zärtlichen Sexualität und einer Solidarität zwischen Mann und Frau, die gewiss nicht selbstverständlich zu sein scheint. Diese Betrachtungen sollten in einer zukünftigen Wissenschaft zur Evolution der Liebe unbedingt mit einbezogen werden.

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