Amedeo Modigliani - Moderne selbstbewusste Blicke

16.12.2023 23:25

Mogliani - Frauenakt mit weißem Kissen 1917

Ein elegant geschwungener, weiblicher Akt auf rotbraunem Grund – den Kopf gebettet auf ein weißes Kissen. Die Frau blickt sowohl erwartungsvoll als auch selbstgewiss. In verführerischer Pose mit ihren aufmerksamen Augen scheint sie gleichsam entspannt wie gespannt auf den kommenden Moment. Der „Liegende Frauenakt auf weißem Kissen“ von 1917 zählt zu den Höhepunkten der gerade in Paris zart aufblühenden, erotischen Kunst Anfang des 20. Jahrhunderts und ist ein Kunstschatz der Sammlung Staatsgalerie Stuttgart. Zu seiner Zeit schaffte es der Italiener mit seinen stolz-erotischen Aktgemälden, die Pariser Kunstwelt in Aufregung zu versetzen. Um Modiglianis Leben rankten sich viele Legenden. Er wurde nur 35 Jahre alt – unter anderem litt er an Tuberkulose, weswegen er auch die Bildhauerei wieder aufgeben musste. Weil so wenig wirklich bekannt war über sein kurzes Leben, gab es umso mehr Gerüchte über Affären, Leidenschaften und Drogenkonsum.

 

 

So umwehte die einzige Einzelausstellung, die Modigliani überhaupt zu seinen Lebzeiten hatte, 1917 in der kleinen Pariser Galerie bei Berthe Weill, ein Skandal, weil die dort ausgestellten Akte auf polizeiliche Anweisung entfernt werden mussten, wie Kurator Jens-Henning Ullner erzählte: „Die Leute stießen sich vor allem an der sichtbaren Körperbehaarung der dargestellten Damen.“

 

Modigliani gilt heute als einer der bekanntesten Vertreter der Pariser Bohème im Vorfeld und Verlauf des ersten Weltkrieges. Der Italiener kam 1906 in die französische Hauptstadt und tauchte dort in das Zentrum der Avantgarde ein. Er traf und porträtierte Künstler wie Pablo Picasso oder Diego Rivera. Dabei ließ er sich zwar vom Zeitgeist inspirieren, blieb aber seinem sehr eigenen Stil treu.

 

Die Ausstellung bewertet auch das Frauenbild Modiglianis neu und zeigt den Maler als Chronist eines erstarkenden weiblichen Selbstbewusstseins in den Jahren vor und während des Ersten Weltkriegs. Auch Modiglianis Akte sind in diesem Kontext neu zu bewerten. Im Einklang mit der jüngsten Forschung wird deutlich, dass Modigliani seine Modelle nicht zu Objekten degradiert, sondern sich ihnen in einem von Gleichberechtigung geprägten Verhältnis nähert.

 

Die stoische Noblesse seiner Portraits nahmen die Neue Sachlichkeit bereits vorweg. Modigliani stellte das neue Menschenbild ohne expressive Tendenzen dar, portraitierte die emanzipierte Frau ohne die kalte Distanz der Neuen Sachlichkeit oder den sezierenden Blick auf die Gesellschaft der Nachkriegszeit. Selbst die Hinweise auf den sozialen Hintergrund der Dargestellten reduzierte Modigliani auf ein Minimum. Seine Frauen- und Aktbildnisse zeigten die selbstbewusste Selbstverständlichkeit einer femme moderne.

 

Amedeo Modigliani

Moderne Blicke

24.11.2023 – 17.03.2024

Staatsgalerie Stuttgart

27.04.2024 – 18.08.2024

Museum Barberini Potsdam

Zurück