Mel Ramos, Sex Appeal, Pop Art

25.08.2011 13:18

Mel Ramos - Lucky Lulu

Kunstgeschichtlich stellt die Pop-Art einen radikalen ideologischen Bruch mit der Moderne dar. Sie verhalf der Kunst zu vielen, neuen Technologien und sie konnte plötzlich auch die Massen, vor allem die jungen Leute, erreichen, wo vorher akademischer Malbetrieb herrschte. Die vorgebliche künstlerische Revolution war jedoch eigentlich eher eine Konterrevolution innerhalb des Kultur-Establishments in den Vereinigten Staaten von Amerika, sowie eine vorweg genommene Restauration der sich gerade überschlagenden Medien- und Werbewirtschaft auf dem Höhepunkt des Wirtschaftswunders. Mit den Namen Andy Warhol, Roy Lichtenstein und Mel Ramos einher geht der Umsturz der künstlerischen Ideale von Sinn- und Wahrhaftigkeit, vom Subjekt und seinem Schicksal, wie sie vor allem von Art-Brut, Expressionismus, Surrealismus und Sachlichkeit noch in der Moderne gepflegt wurden.

 

Dieser kunstgeschichtliche Umsturz-Versuch (z.B. die Kritikfähigkeit der Künstler wendete sich nach innen - aus Gesellschaftskritik wurde Kunstkritik) geschah nicht zuletzt auch durch die Einführung der neuen Informations-, Marketing- und Vervielfältigungs-Möglichkeiten sowie den Erfahrungen mit der NS-Propaganda. Diese vorgeblich progressive Revolution, die die Pop-Art damals vorgab zu sein, verdankt ihre weltweite Aufmerksamkeit also auch einem eklatanten künstlerischen Sündenfall - dem Arrangement mit dem Kapitalismus und seinen Ausbeutungsmechanismen und Verdinglichungstendenzen, wo die Künstler der Moderne noch verzweifelt, aber engagiert für Aufklärung, Befreiung und Selbsterkenntnis des Menschen stritten.

 

Die Marketing-Ästhetik des Kapitalismus und seinen nervösen Warenfetischismus zur Muse der Kunst zu erheben, stellte wahrhaft eine Provokation in der Genealogie der Kunststile dar. Während in Europa die Situationisten die Kunst der politischen Agitation erprobten, gab sich die Pop-Art-Revolte, die den radikalen Bruch mit den Themen der Moderne wie Anspruch, Authentizität, Erfahrung, Aufklärung und damit den Beginn einer neuen künstlerischen Ära, der Postmoderne, einläutete, gelassen. "Nichts ist Unmöglich...!" Mit der Popart wurden solche Ideale mal eben über Bord geworfen. Jetzt, Brandaktuell und Neu!, wird die Campbell-Suppendose von Andy Warhol zur Mona Lisa des ausgehenden 20. Jahrhunderts.

 

Die Einzigartigkeit des Menschen gilt jetzt nix mehr. Jeder und alles ist kopierbar und endlos reproduzierbar geworden. Andy Warhols Campbell Suppendosen oder die riesigen Comic-Siebdrucke von Roy Lichtenstein sind wohl ein perfektes Beispiel für diese eigentliche Konterrevolution innerhalb der kapitalistischen Kultur. Eine Marketing-Kampagne, die in Giga-Tonnen als zerknautschtes Blech auf den Müllhalden der Zivilisation verrottet, zählt auf einmal, als potentiell unendlich reproduzierbarer Offset- oder Siebdruck, zu den Ikonen des Kunstmarkt und glänzen phallisch in den heiligen Hallen der Museumstempel.


Mel Ramos zählt hier zu den bedeutensten Vertretern der Pop Art- Bewegung. Ähnlich wie Andy Warhol und Roy Lichtenstein beschäftigt er sich mit den Mythen des Alltags und den synthetischen Träumen der Medien- und Werbewelt. Dabei pflegte er ebenso wie die anderen Pop-Art-Künstler ein ästhetisiertes, ironisches und liebevolles Verhältnis zum Kapitalismus der Wirtschaftswunderzeit und der Restauration der Industriekultur. Berühmt wurde er unter anderem durch seine „Commercial Pin-ups“, die in ihren grellen Farben, geilen Posen und ihrer kühl kalkulierten Werbeästhetik uns sofort ins Auge fallen.
 

Die Ausstelllung „Mel Ramos - 50 Jahre PopArt” in der Völklinger Hütte ist die erste umfassende Retrospektive des amerikanischen Pop Art- Künstlers in Europa und wurde direkt aus der Albertina Wien in die Völklinger Hütte übernommen. Dabei zeigt die Retrospektive, die dann wieder zurück in die USA geht, einen repräsentativen Querschnitt durch das Lebenswerk des 1935 in Sacramenteo in Kalifornien als Sohn portugisischer Einwanderer geborenen Künstlers, der . In der Werksschau Ramos sind alle seine Hauptthemen mit ihren Hauptwerken vertreten: einige frühe Gemälde, die sich mit ersten figurativen Darstellungen vom Abstrakten Expressionismus ablösen, und seit 1961 dann die mythologischen Ikonen und Comic-Helden der Waren- und Fetischwelt, wie Batman, Superman oder The Spectre, die Ramos bei großer Beachtung der Kunstwelt, fleißig malte. Und selbstverständlich gibt es hier in dieser gigantischen, futuristischen Industrie-Brache an der Saar, auch seine „Commercial Pin-ups“ zu bewundern.

Ab 1963 wandte er sich diesem zentralen Thema seines Schaffens zu. Über weibliche Superheldinnen wie Wonder Woman gelangte er damals zur Darstellung von Pin-Up-Girls und jenen typischen Arrangements aus der Werbung, welche ihre Produkte über die Darstellung aufreizender weiblicher Sexualität zu verkaufen suchen. Die dabei entstandenen Bilder, in denen er Frauen „in vulgär-vitaler Pose auf gemalten Warenartikeln drapierte und damit die triviale Glamourgestik einer Werbemasche parodierte, die die Kauflust mit sexuellen Reizen schürt." (DuMont's Künstlerlexikon). Diese „Commercial Pin-Ups“ sollten dann über Jahrzehnte das Markenzeichen von Mel Ramos bleiben. Jedoch erfuhr er auch massive Kritik für seine expliziten, fetischisierenden Frauendarstellungen, vor allem in den 60er-Jahren, von konservativer, später auch von feministischer Seite.

 

Ab 1972 dehnte Ramos seine Beschäftigung mit Erotik, Sex-Appeal und Verwertbarkeit ein weiteres Mal aus und persiflierte in seinen „Unfinished Paintings“ sowie der Serie „A Salute to Art History“ die ehrwürdigen Aktbilder klassischer Meister wie Ingres, Modigliani und Manet, wobei er deren subtile Erotik durch den direkteren Sexappeal der Pin-Ups ersetzte und damit auch die postmoderne Technik der Kopie und des kunstgeschichtlichen Zitierens auf die Spitze trieb. Nur konsequent ist dann die darauf folgende Beschäftigung mit dem Sujet klassischer Statuen, die somit dann auch als Ikonen dem kapitalistischen Verwertungs-, Marketing- und Animationsprozess zugeführt werden.

Der Humor ist dabei das entscheidende Moment in Ramos Kunst, denn seine Werke provozieren weniger Ekel und Empörung durch ihre Obszönität, sondern ein Schmunzeln oder ein befreiendes Lachen durch ihren augenzwinkernden Gestus und ihre ironischen Bezüge. „Ich achte immer darauf, dass meine Bilder ‚geschmackvoll‘ und nicht allzu erotisch sind, dass sie immer einen Anflug von Humor haben. Entweder man versteht, was gemeint ist, oder eben nicht“, fasste Ramos sein Kunstverständnis einmal zusammen. Nichtsdestotrotz bilden Postmoderne, Pop-Art und speziell das Oeuvre Ramos eine bedeutende Schnittstelle der Hinwendung der Kunst in den 80iger Jahren, hin  zu den Themen der Comic-Art, der Pornografie, der Pulp-Fiction und des Cyber-Sex.

Die Ausstellung „Mel Ramos – 50 Jahre PopArt“ ist bis zum 8. Januar 2012 verlängert worden und zu den üblichen Öffnungszeiten zu sehen im sehenswerten Weltkulturerbe Völklinger Hütte. 

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