Love Life fördert Hate Crimes in der Schweiz

20.08.2014 14:57

Love Life Kampagne

Die breit gestreute und öffentlichkeitswirksame Kampagne "Love Life" des schweizerischen Bundesamtes für Gesundheit, mit welcher vor den Gefahren von AIDS und anderen sexuell übertragbare Infektionen gewarnt werden soll, erregt und erhitzt die Gemüter in der Alpengenossenschaft. Zumeist Gläubige und Religionsvertreter scheinen sich von der expliziten Kampagne mit Bildern erotischer und sexueller Handlungen und Hingabe provoziert zu fühlen. Auf großformatigen Plakaten an Häuserwänden, an Haltestellen und in Schaukästen, geben sich Paare der unterschiedlichsten sexuellen Präferenzen zeigefreudig und gar nicht schamvoll der "schönsten Nebensache der Welt" hin. Die Plakate präsentieren dabei den Slogan: "Love Life und bereue nichts." Drei Hauptaussagen auf den Plakaten sollen dabei das Credo der Kampagne verdeutlichen: "Ich genieße mein Leben, das bin ich mir schuldig", "Ich liebe meinen Körper, dewegen schütze ich ihn" sowie "Ich bereue nichts, dafür sorge ich".

 

 


Aufklärung, Aidshilfe, Sexuelle Gesundheit

Lanciert wurde die Kampagne von den eidgenössischen Institutionen Bundesamt für Gesundheit, Aidshilfe Schweiz sowie Sexuelle Gesundheit Schweiz. Die Aufklärungskampagne setzt neben den erotischen Bonmots ebenso auf mahnenden Text: "Ich liebe meinen Körper. Deswegen schütze ich ihn.", steht auf einigen Plakaten. "Um das Leben zu genießen, bin ich auf meinen Körper angewiesen. Ich schütze ihn gegen sexuell übertragbare Krankeheiten wie HIV, Wenn ich Single bin, fremdgehe und nach einer Beziehung verwende ich Kondome und halte mich an die Saver Sex Regeln. In einer treuen Partnerschaft können wir nach einem Test auf Kondome verzichten." Andere Plakate kommunizieren prosaisch: "Meist bereut man nichts, was man tut, sondern was man lässt. Sei es ein Abenteuer, ein Gespräch - oder Safer Sex. Ich aber sorge dafür, dass ich jederzeit sagen kann: Ich bereue nichts."

Von Anfang an begleiteten Schmierereien, Vandalismus und Graffiti-Aktionen die Kampagne, die so manchen Schweizern und Schweizerinnen wohl einen hochroten Kopf nicht nur vor Scham sondern auch vor Zorn bereitet. Manch einen inspiriert sie zu komödiantischen Leistungen, etwa wenn zwei Frauen, die sich auf den Plakaten lieben, blaue Grafitti-Sprechblasen in den Mund gelegt werden, auf denen sie diskutieren, ob frau auch Sex haben kann, wenn sie 'blau' (besoffen) ist. Andere verkleben kreativ ihren eigenen Pornobalken oder prangern gar satanistische und gotteslästerliche Hintergründe und die Verderbung der Kinder und Jugendlichen an, welche Gefahr laufen, einer anti-christlichen 'Frühsexualisierung' zum Opfer zu fallen.

Erfolgreiche Kampagne sucht Sexwillige

Für die neue Love Life Kampagne werden weiterhin sexwillige Paare und Personen gesucht, die Lust haben, sich leidenschaftlich vor der Kamera hinzugeben. Schon über fünfzig Paare haben sich kurz nach dem Start der neuen Kampagne im Juli des Jahres beim Shooting mitgemacht und in dem dazu veröffentlichten Video auf der Webseite sind die Bewerberpaare zu sehen. Auf www.lovelife.ch kann mensch sich zum Casting melden. "

Wer Teil der Kampagne sein will, der wird dann den Love Life Silikonring tragen. Auf der Webseite kann man ebenfalls das Versprechen an sich selbst abgeben, sich an die Safer Sex Regeln des Love Life-Manifestes zu halten: Eindringen nur mit Gummi, Sperma und Blut nicht in den Mund und Bei Juckreiz, Brennen oder Ausfluss zum Arzt.

Dagegen waren die ersten Stop AIDS Kampagnen ab 1987viel simpler gehalten. Einfacher schnörkelloser Schriftzug und die Ersetzung des O's von Stop durch die Draufsicht auf den Silikonring des Kondoms. Mit Sprüchen wie "Mein Rüssel hat Schnupfen" und dem Slogan "Sprich über Geschlechtskrankheiten, egal wie" versuchte es die schweizerische Gesundheitsbehörde schon immer mit Humor bei ihrer Aufklärungsarbeit, wie auch 2006 mit nackten (bzw. nur mit Helm, Schlittschuhen und Schläger bewaffnet), miteinander auf dem Eis kämpfenden Eishockeystars und dem Spruch: "Hier schützt man sich ja auch".

Zur Schau gestellte Schweinerei

Einigen jedoch geht die «Love Life»-Kampagne deutlich zu weit, und die machen ihrem Ärger durch Umgestaltung oder Zerstörung der Plakate Luft. Täglich erhält "20 Minuten" von ihren Leser-Reportern Bilder übersprayter und verklebter Plakate aus der ganzen Schweiz – einige wurden kreativ abgeändert, andere nur schwarz übermalt. Die beschädigten Plakate würden ersetzt, heißt es bei der zuständigen Agentur auf Anfrage, wie die Tageszeitung berichtet. Auf Anzeigen wegen Sachbeschädigung habe man bisher ebenfalls verzichtet.

Auch mit Rückmeldungen zur Kampagne sind die Schweizer nicht schreibfaul. Rund 600 Briefe sind in den letzten zwei Wochen beim BAG eingegangen – fast alle negativ. "Wir bekommen schriftlich fast ausschliesslich ablehnende Reaktionen»" bestätigt BAG-Sprecherin Catherine Cossy gegenüber "20 Minuten". Christliche Organisationen wie die Schweizerische Evangelische Allianz bieten ihren Sympathisanten online gar Musterbriefe ans BAG an, mit denen sie ihren Unmut ausdrücken sollen.

Dominik Lusser von der christlichen Stiftung Zukunft-CH protestiert seit der Lancierung gegen die Kampagne. Auf die zerstörten Plakate angesprochen, sagt er: "Das BAG muss sich nicht über die Reaktionen wundern, wenn es solch eine Schweinerei zur Schau stellt. Wir wollen uns aber trotzdem vom Vandalismus distanzieren."

Ein Plakat-Vandale erklärt sich

"20 Minuten" hat mit einer Person gesprochen, die zugibt, dass sie «Love Life»-Plakate zerstörte – jedoch anonym bleiben möchte. Sie sagt: "Überall gibt es einen Aufschrei wegen Sexting, aber wenn ein Bundesamt in aller Öffentlichkeit solch explizite Inhalte zeigt, soll ich das so akzeptieren? Das geht für mich nicht." Eine Kampagne gegen Geschlechtskrankheiten könne man auch mit angezogenen Personen durchführen. Das funktioniere im Ausland auch. "Das BAG macht hier beim allgemeinen gesellschaftlichen Exhibitionismus mit." Da ihr dies zu weit gehe, sei die Person notfalls auch bereit, als Konsequenz eine Anzeige auf sich zu nehmen.

Beim BAG ist man sich der Provokationskraft der Kampagne bewusst. «Es geht hier um Krankheiten, die unmittelbar mit Sexualität zu tun haben», sagt Catherine Cossy. Das seien für gewisse Kreise sensible Themen. "Für die Kampagne sprechen letztlich die Zahlen", so Cossy. "Seit ihrer Lancierung haben 137'925 Personen dem 'Love Life'-Manifest zugestimmt und über 300'000 Clients die Website besucht." Bei den fast 2000 Plakaten im ganzen Land seien ein paar verschandelte für sie deshalb kein ernstzunehmendes Problem.

Auch die Werbeagentur verurteilt die Beschädigung, sieht sie aber als kleineres Problem. Es handle sich angesichts von insgesamt 64'000 Plakatflächen um eine sehr geringe Anzahl beschädigter Plakate, so Sprecherin Nadja Mühlemann. Vor dem Aushang würde man die Sujets jeweils den wichtigsten Städten und Gemeinden vorlegen, um deren Rückmeldung einzuholen. "Einige Gemeinden haben darum gebeten, die 'Love Life'-Plakate nicht entlang von Schulwegen auszuhängen."

 

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