In The Cut - Der männliche Körper in der feministischen Kunst

08.08.2018 15:13

Eunice Golden - Purple Sky (1969)

Die Sexualität als zentrales Thema in der Kunst war bis in die 1970er Jahre vornehmlich vom männlichen Blick auf den weiblichen Körper beherrscht. Mit der Emanzipationsbewegung und dem damit wachsenden Selbstbewusstsein der Frauen setzte auch die Befreiung ihrer Sexualität ein. Die neu gefundene Lust der Frau schlug sich auch in der Kunst nieder. Doch bis heute ist die Erotik aus der Sicht der Frau und eine damit einher gehende selbstbestimmte Sexualität keineswegs selbstverständlich. Die Ausstellung "In the Cut - der männliche Körper in der feministischen Kunst" in der Stadtgalerie Saarbrücken, wagt etwas, was es so bislang nicht gab. Der explizit erotische und begehrende (und nicht kritisch-moralinsaure) Blick von Künstlerinnen auf den Mann. Dies ist sicherlich keine Ausstellung für, auf den männlichen Körper besonders schamhaft reagierende Menschen, zumal die Pressemitteilung zur Ausstellung "viele nackte Tatsachen" verspricht.

 

Frühe feministische Künstlerinnen wie Louise Bourgeois mit ihrem kritischen Blick auf Rollenzuweisungen, Betty Tomkins mit einem ersten neugierigen Blick auch auf männliche Geschlechtsteile, oder Eunice Golden mit ihrer Lust am männlichen Akt, konzentrierten sich zunächst erst auf den eigenen Körper, bevor sie den Blick auf ihre Geschlechts-Antagonisten warfen. Anfang der 70er-Jahre war der männliche Akt eher noch in der sich in der Kunst triumphierenden Homosexualität, denn bei den wenigen feministischen Künstlerinnen zu sehen. Bis heute stellt der (hetero-)erotische Blick auf den Mann eine Ausnahme und Rarität dar.

Wenn feministische Künstlerinnen ihren begehrlichen Blick auf den männlichen Körper werfen, brechen sie damit gleich mehrere Tabus und kehren die Machtverhältnisse um, die dem traditionellen Bilderkanon eingeschrieben sind. Mit ihren ironischen, humorvollen, kritischen wie leidenschaftlichen Darstellungen erotischer Männerkörper erheben sie Anspruch auf sexuelle Selbstbestimmung und künstlerische Autorität. Gleichzeitig stellen sie klassische Rollenzuschreibungen in Frage und eröffnen den Diskurs für neue Wege und Möglichkeiten sexueller Identität.

Diese Ausstellung stellt diese geschlechts-emanzipatorische Bereicherung der Kunstgeschichte in den Fokus der Betrachtung, welche bislang dominiert wurde von männlichen Künstlern, die nackte Frauen zeigen. 19 internationale Künstlerinnen drehen hier die Blickrichtung um und zeigen Männer als veritable Nacktmodels und Sexobjekte: Herlinde Koelbl fotografiert neugierig die erotischen Zonen hinterm offenen Hosenreißverschluss, Eunice Golden huldigt expressiv dem erigierten Penis und Paula Winkler hat ihre männlichen Aktmodelle auf einer Sex-Dating-Plattform gefunden.

Die hochinteressante Schau liefert reichlich Beweise, wie groß die Penis-Lust bei den selbstbewussten, starken Künstlerinnen ausgeprägt ist. Bei der Fotografin Herlinde Koelbl lugt das schwere, fleischige Glied eines farbigen Mannes aus der offenen Hose, Anke Doberauer zeigt einen guten durchtrainierten Mann nur mit weißem Hut bekleidet und die Video-Künstlerin Alicia Framis zeigt ein männliches Model auf dem Laufsteg, wie es, nur mit dem Accessoire einer Handtasche versehen,  seine prallen Hoden zur Schau stellt.

Künstlerinnen, wie Louise Bourgeois (USA), Herlinde Koelbl (DE), Eunice Golden (USA), Joan Semmel (USA), Betty Tompkins (USA) oder Carolee Schneemann (USA) haben diese künstlerische Auseinandersetzung bereits seit den 1960er Jahren vorangetrieben. Ihre Werke bestimmen diese international besetzte Themenausstellung ebenso, wie Vertreterinnen der jüngeren Generation mit Sophie Calle (FR), Anke Doberauer (DE), Tracey Emin (GB), Alicia Framis (ES), Kathleen Gilje (USA), Aude du Pasquier Grall (FR), Anna Jermolaewa (RU), Julika Rudelius (DE), Mwangi Hutter (DE/KE), ORLAN (FR) Jana Sterbak (CAN), Susan Silas (USA) und Paula Winkler (DE).

Zur Ausstellung erscheint ein Katalog im Kerber Verlag (230 Seiten, deutsch/englisch). Die staunenswerte Ausstellung "In The Cut - Der männliche Körper in der Feministischen Kunst", in der Stadtgalerie Saarbrücken, St. Johanner Markt 24, 66111 Saarbrücken, ist noch bis zum 30.9.2018 zu bewundern.

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