Ikonen-Porno erzürnt Gläubige

29.01.2022 17:15

Christine Metzner aus Pornografische Serie

Erotische Kunst hat schon immer provoziert, nicht zuletzt bürgerlichen und kirchlichen Anstand und Sitte. Porno ist eine Abart und Pervertierung erotischer Kunst, was ihr die Liebe, Schönheit, Kreativität und Sehnsucht raubt. Kirchen als Institution betrachtet haben zuletzt wieder vermehrt durch zahllose Missbrauchsskandale unrühmliche Schlagzeilen in den Medien hinterlassen, was die Vorbildsfunktion ihrer Vertreter samt Theologie korrumpiert. Dazu sorgte im letzten Dezember in Offenbach eine Ausstellungskonzeption für Aufregung. Und für viel Kritik, denn die gezeigte Kunst war eine Ausstellung mit orthodoxen Ikonen, welche die Designerin Christine Metzner mit Darstellungen von Geschlechtsteilen und Kopulationsszenen aus Plastikperlen überklebt hat. Christen verschiedener Konfessionen, insbesondere orthodoxe Gläubige, fühlten sich daraufhin von der „Pornografische Serie“ genannten Reihe von Heiligendarstellungen schwer beleidigt. Die Künstlerin rechtfertigte ihre Konzeption und berief sich unter anderem auf die künstlerische Freiheit.

 

 

Gotteslästerliche Ausstellung

Die Berliner Diözese der Russischen Orthodoxen Kirche hat ihre Empörung über die „gotteslästerliche“ Ausstellung in einem offenen Brief an den Offenbacher Bürgermeister zum Ausdruck gebracht.

„Wir sind empört über diese Ausstellung und fordern, dass bei der Organisation solcher ‚kreativen‘ Experimente in Zukunft die Interessen und die Stellung der orthodoxen Bürger Deutschlands berücksichtigt werden“, hieß es im Brief. Die Russische Orthodoxe Kirche begrüße zwar die „Freiheit des kreativen Ausdrucks des Einzelnen“. „Kreativitätsfreiheit bedeutet jedoch nicht Freizügigkeit und bedeutet nicht, andere Menschen und ihre religiösen Gefühle zu beleidigen. Kritik, insbesondere konstruktive Kritik, ist sicher zulässig. Es ist aber inakzeptabel, etwas zu verspotten, das Millionen von Gläubigen heilig und teuer ist.“

So wurde im Brief auch darauf hingewiesen, dass Metzner „ausgerechnet die am wenigsten einflussreiche christliche Konfession in Deutschland gewählt hat, um ihre ‚künstlerische Freiheit‘ auszudrücken.“ Für orthodoxe Christen sei eine Ikone nicht einfach nur ein Gemälde. Es sei ein heiliges Bild, ein Gegenstand der Verehrung und Ehrfurcht, hieß es.


Gegenpole Kirche und Sexualität

Laut der Designerin, die ihre „Pornografische Serie“ in der Offenbacher Pop-up-Galerie „Superladen“ präsentierte, wollte sie niemanden beleidigen. „Auslöser war für diese Arbeit der sexuelle Missbrauch an Kindern in der Kirche. Die meisten veröffentlichten Fälle betreffen die katholische Kirche“, wird Christine Metzner in der Bild-Zeitung zitiert. Daher ist unklar, warum sie ausgerechnet orthodoxe Ikonen für ihre provokante Arbeit ausgewählt hat? Eigentlich ist doch die orthodoxe Kirche nicht unbedingt für Fälle von Missbrauch innerhalb ihrer Institution bekannt - oder?

Mehrere Mitglieder der griechisch-orthodoxen Gemeinde, die die Ausstellung besuchten, zeigten sich entsetzt. Darunter eine Offenbacher Stadtverordnete. Sie hat die Bilder als „abstoßend“ kritisiert und forderte, dass sie abgehängt werden. „Künstlerische Freiheit ist okay, aber es gibt auch Grenzen“, sagte sie laut dem Youtube-Kanal „hr-fernsehen“, einem regionalen Fernsehprogramm des Hessischen Rundfunks.

Für die Künstlerin Metzner bleibt eine Ikone jedoch weiterhin „Abbild der Kirche, in der sich über Jahrhunderte hinweg das Frauenbild bis heute gar nicht bis nur wenig verändert hat“. „Ich zeige in den Bildern die Gegenpole Kirche und Sexualität. Mir geht es dabei nicht um Religion oder den Glauben an sich, mir geht es um die Institution Kirche“, sagte sie in einer Stellungnahme.


Perversion, Fetisch, Todestrieb

Stellte Christine Metzners Ausstellung nun eine gezielte Provokation dar? Dafür war eigentlich in den letzten zwei Jahrhunderten so ziemlich jede Ausstellung mit erotischer Kunst gut. Oder thematisiert hier die Künstlerin nicht doch vielleicht eher in einem fast augenzwinkernden Gestus (wie Ersetzung der Geschlechtsteile durch Glasperlen - Symbol des religiösen Kolonialismus) wie so eine Art Fetischisierung und dadurch Pervertierung des Glaubens (bspw. goldene Ikonen als Lustersatz)?

Gleichzeitig bildet wiederum das Thema Porno in all seinen Aspekten soetwas ab wie die Perversion erotischer Kunst, also liebe- und lustvoller, sinnlicher, leidenschaftlicher Kunst und Lebensart. Erotische Kunst ist Erfüllung, Porno hingegen bedeutet Entleerung des Glaubens und Empfindens der Vielfalt der menschlichen Sexualität. Auch die Erotische Kunst ist Ausdruck des Eros, eines "polymorph-perversen Lebenstriebes" beim Menschen, wie ihn die psychoanalytische Literatur ausführlich beschrieben hat. Porno hingegen weist die Merkmale auf, welche Sigmund Freud in seinem Spätwerk "Das Unbehagen in der Kultur" (1930) auch anhand der seinerzeit zunehmenden Fetischisierung und Technisierung westlicher Zivilisationen als "Todestrieb" zu  erfassen versucht hat, im Gegensatz zum Eros, dem Lebenstrieb.

Was ist das? Dieser unheimliche, unerklärliche Drang innerhalb menschlicher (oder doch nur sogenannter westlicher?) Kulturen hin zu absoluter Gewalt, Zerstörung, Ausbeutung und Entfremdung. Für solche anhaltend lebensfeindlichen Tendenzen in unserer Welt zeichnen nicht zuletzt weniger einzelne, normale aber trotzdemm so schuldbewusste Menschen verantwortlich zu sein, weil garnicht mit der Machtfülle (dem Goldenen und auch im Leid Erhabenen) ausgestattet.

Sondern es scheint vielmehr eine systemische Entartung (symbolisiert durch Porno) vorzuliegen, sozusagen ein Fehler im System, ein Virus, das dessen eigene Entwertung, Zerfall und Untergang schon in sich birgt. Die Ikonen sind austauschbar, der Herden-Drang zum Leid und Tode bleibt, doch die Lust am Leben erfüllt sich selbstgenügsam fließend immer wieder aufs neue im Einzelnen. Auch wenn es dem zufriedenen und schöpferischen Menschen passiert, dass er etwas von dem Lebenssaft der Sexualität aus dem Prunkkelch der Liebe auf dem prachtvollen Altar des Lebens verschüttet - und dabei wohlmöglich das Priestergewand befleckt.

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