Gemeinschaftlicher Einschnitt statt individueller Beschneidung

30.06.2012 14:30

Franz v. Struck - Judith u. Holofernes

Die edlen, schönen und stolzen Heroen und Mannesbilder der griechischen und römischen Antike trugen ihre unbeschnittenen Schniepel (wie die kleinen, ihre Kirsche verbergenden Blütenkelche der Phrysalis aussehend) noch ganz ungeniert zur Schau. Eine entblößte Kirsche oder Eichel des männlichen Genitals hätten die damaligen Menschen dagegen höchstwahrscheinlich als außerordentlich obszön angesehen. Hierzulande wird zur Zeit durch einen Richterspruch des Kölner Landgerichts, der eine Beschneidung kleiner Jungen als unzulässigen Eingriff in die Selbstbestimmungsrechte des Individuums wertet, und damit für illegal erklärt, viel feuilletionistischer Staub aufgewirbelt und religiöses Empfinden verletzt. Empörung allerorten, schließlich wird hier gerade ein altertümlicher, klerikaler Opferritus durch die Justiz frontal angegriffen, ich bin versucht zu sagen: auf dem Opferstein der Postmoderne geschlachtet; der neben wenigen Ess- und Heiratsregeln zu den unhinterfragten Grundprinzipien zweier der größten Weltreligionen gehört: dem Judentum und dem Islam. Seit Sigmund Freud und der Psychoanalyse wissen wir, dass Beschneidungen sozialpsychologisch betrachtet in einer dialektischen Beziehung mit dem Ödipus- oder Kastrationskomplex beim Heranwachsenden stehen.

 

Die Weltgesundheitsorganisation WHO schätzt, dass weltweit 30 Prozent der Männer beschnitten sind. In den Vereinigten Staaten, so die WHO, sind diesen Angaben zufolge 75 Prozent aller Männer beschnitten, und zwar aus vorgeblich hygienischen und gesundheitspräventiven Gründen. In diesem Zusammenhang ist es interessant, die Ursprünge der amerikanischen Beschneidungspraxis zu betrachten. Diese liegen nämlich in einer verknoteten Sexualmoral, zu deren größten Befürwortern im 19. Jahrhundert der Erfinder der Cornflakes, John Harvey Kellogg, zählte. Für Kellogg war die Beschneidung von Knaben ein Mittel gegen Masturbation. Die Operation sollte ohne Betäubung vorgenommen werden, „weil der kurze Schmerz einen heilsamen Effekt hat“. Und auch Mädchen nahm er nicht aus: „Bei Mädchen ist die Behandlung der Klitoris mit unverdünnter Karbolsäure hervorragend geeignet, die unnatürliche Erregung zu mindern.“ Dass für den verheiratete Kellogg ein erfolgreicher Tag mit einem Einlauf begann, braucht da nicht wirklich überraschen.

In „Abriß der Psychoanalyse“ von 1938 formulierte Freud explizit: "Die uralte Sitte der Beschneidung, ein Symbolersatz der Kastration, läßt sich nur verstehen als Ausdruck der Unterwerfung unter den Willen des Vaters (...) und um die kindliche Masturbation zu unterdrücken". Die Beschneidung erscheint in dieser Sichtweise als religiöser Initationsritus, in welchem die betroffenen Subjekte schmerzvoll und an entscheidener Stelle, nämlich dem genitalen und libidinösen Primärorgan, operiert und verletzt werden, um sie einer strengen Gesellschaftsdoktrin und Vätertradition zu unterwerfen. Ein schweres Trauma und unabänderliches Brandzeichen ist diese symbolische Kastration allemal, die die Individuuen ihr Leben lang begleitet und das paternalistische Gewissen und Unterwerfungs-Gebot tief im Unbewußten der ehemaligen Ritualopfer verankert.

Die Zeremonien und Rituale rund um die Beschneidung sollte dann Marie Bonaparte, die Prinzessin von Griechenland und Dänemark (1882 - 1962), die als französische Psychoanalytikerin und Autorin sowie Freundin von Freud, nicht nur eine große Mäzenin und Impulsgeberin der Psychoanalytischen Bewegung war, tiefergehend analysieren. Neben Studien über Edgar Allan Poe, die Triebtheorie und die weibliche Sexualität erforschte sie als eine der ersten Wissenschaftlerinnen ab Mitte der 1930er Jahre die Beschneidung von Frauen in Afrika, ausgehend von der Freud'schen Unterscheidung von klitoralen und vaginalem Orgasmus.

Entsetzen über das neue Gesetz formulieren nun vor allem die Betroffenen und die Vertreter der angesprochenen Religionen. Aber auch liberale und ausgewogene Stimmen warnen, dass die Gefahr groß sei, dass "medizinisch unverantwortliche Ersatzlösungen" gesucht werden. Michael Bongardt, Ethikprofessor und Vizepräsidenten der FU Berlin meinte in einem Interview: "Es kann als Ausdruck von Feindlichkeit gegenüber Religionen insgesamt oder gegenüber diesen speziellen Religionen gewertet werden. Die Religionsfreiheit ist ein Menschenrecht und religiöse Menschen haben das Recht, sich zu weltanschaulichen Gemeinschaften zusammenzutun und sich zu organisieren. Das tun Religionen. Aber ihr Recht, zu bestimmen, was sie für das gute und richtige Leben halten, kann in einem säkularen Staat von einem Gericht eingeschränkt werden." Es sei zum Beispiel verboten, gewaltsam zu missionieren, meint der Professor. Das wäre ja auch noch schöner, wenn Gewalt nicht verboten wäre und mensch von Missionaren erschlagen werden könnte, fällt mir zu diesem Vergleich ein. Dass der Staat in Deutschland hilft, weiterhin Kirchensteuern zu erheben, belegt, dass Deutschland auch noch lange kein säkularisierter Staat ist, nebenbei bemerkt.

Es gibt viele Riten, die sich auf alte Gebräuche berufen oder durch Geschichten legitimiert werden. Von manchen Bräuchen haben sich Religionen im Laufe ihrer Geschichte aber auch verabschiedet, weil sie diese aus ethischen oder anderen Gründen für nicht mehr vertretbar oder sinnvoll halten. Man könnte also fragen, ob es solche Gründe gibt, die Beschneidung als Zugehörigkeitszeichen abzuschaffen. Ob es medizinischen Gründe gegeben hat, ausgerechnet dieses Zeichen zu nehmen oder ob andere Vorstellungen eine Rolle spielten, ist religionsgeschichtlich nicht aufzuklären. Es ist aber bekannt, dass es diese Tradition bereits sehr lange gibt – im Judentum noch fester vorgeschrieben als im Islam.

Bestimmte Gebote, die das Judentum kennt, gelten im Christentum weiter, aber die Beschneidung hat man dabei ausdrücklich ausgenommen, um der Überzeugung Ausdruck zu verleihen: Man muss nicht erst wie ein Jude werden, um dann Christ werden zu können, so Bongardt. Das heißt, auch Menschen, die den Ritus der Beschneidung für falsch oder rückständig halten, müssen sich fragen, ob ihre Gründe so schwerwiegend sind, dass sie es nicht dulden können, wenn andere Leute bei diesen Bräuchen bleiben. Niemand verlange von jemandem, der Beschneidung nicht gut findet, seine Meinung zu ändern. Es gehe nur um die Frage der Duldung. Mit Verlaub kommt mir das Wort Duldung hier ziemlich schwach vor, denn es geht noch mehr um sozialpsychologisch relevante Zwangshandlungen an Subjekten, mit denen diese, auch durch Erpressung der Eltern, einem eiskalt kalkulierten Züchtigungsdiktat unterworfen werden.

Die jüdische Beschneidung der Knaben am achten Tag nach seiner Geburt bestätigt nicht nur den Bund mit Gott und sichert den Fortbestand des Volkes Israel. Sie soll auch erzieherisch wirken. Männer seien nun einmal stark von ihren Trieben bestimmt, sagt der Rabbiner Andrew Steiman, darum müssten sie beschnitten werden. Nur so könnten sie begreifen, dass dieser Körperteil Gott geweiht ist. Dass auch das manchmal nicht hilft, weiß Steiman aus eigener Erfahrung. „Bei meinem Vater hat es nichts gebracht.“ Die Beschneidung wird vom Mohel, dem rituellen Beschneider, der auch ein ausgebildeter Arzt sein kann, vorgenommen. Der acht Tage alte Säugling wird dabei nicht betäubt. Viele glauben, dass die Nerven zur Weiterleitung des Schmerzes noch nicht ausgebildet sind. Nur ein Tropfen Wein wird ihm eingeflößt – das soll betäubende Wirkung haben. Steiman kann darin nichts Verwerfliches erkennen und erzählt die Geschichte von einem befreundeten Rabbiner. Der habe ihm während einer Beschneidungszeremonie zugeflüstert: „Was sind wir doch für ein brutales, archaisches Volk.“

Beschneidungen muslimischer Knaben werden als großes Familienfest gefeiert. Necla Kelek beschreibt in ihrem Buch „Die verlorenen Söhne“ die Beschneidung ihres Neffen in einem „anatolischen Provinznest“. Sie schildert dessen Angst vor dem Schmerz, und dass es niemanden gibt, der ihm diese Angst nimmt, nicht einmal die eigene Mutter. Wer Angst hat, ist wehleidig und damit „unmännlich“. Sie sagt aber auch, dass die Knaben begeistert seien, wenn sie wie kleine Prinzen verkleidet, bejubelt und mit Geschenken überhäuft würden. „Sie gelten fortan als Löwen und sind der ganze Stolz ihres Vaters.“

Durch die Beschneidung wird der Junge zum Mitglied der „umma“, der Gemeinschaft der Muslime. In den Augen Frau Keleks hat die Beschneidung schlimme Folgen: Sie nimmt den Jungen die Freiheit und zeigt ihnen, dass sie nichts sind ohne die Gemeinschaft. Und in dieser Gemeinschaft stehen sie auf der untersten Stufe, müssen von nun an gehorchen und den Älteren dienen. „Die Beschneidung reproduziert eine autoritäre Gesellschaft, weil durch das Opfer der Vorhaut die Unterwerfung symbolisch wie materiell manifestiert wird.“ Die Herrschaft der Väter stehe im Mittelpunkt. Machokult, Gewaltbereitschaft, Frauenhass sind für Kelek alles auch Folgen dieses „archaischen Rituals“. Sowie die soziale Abgrenzung. „Türkische Jungs und Mädchen werden immer mit Abscheu über eine vorhandene Vorhaut sprechen“, sagt sie. Für sie sei es ein Ausweis des Unglaubens, der Unreinheit. Sie warnt, dass Kinder, die in Kategorien von Abgrenzung dächten, für die Werte einer freiheitlichen Gesellschaft schwerlich zu gewinnen sind.

Der türkische Psychoanalytiker Vamik Volkan erklärt 2006 in der Zeit: "Fast alle Patienten, die in der Türkei eine Analyse machen, sind westlich orientiert und führen ein modernes Leben. Gleichwohl kommen sie, wie ich, aus einer muslimischen Kultur und werden mit bestimmten Erfahrungen konfrontiert, die ihre westlichen Zeitgenossen nicht machen müssen. Beispielsweise sind alle männlichen muslimischen Analysanden als Kind beschnitten worden. Eine wichtige Rolle in der Freudschen Theorie spielen der Ödipus-Komplex und die Kastrationsangst, die nicht nur Probleme schafft, sondern auch den Ödipus-Komplex überwinden hilft. Wird durch die Beschneidung die Kastrationsangst türkischer Knaben verstärkt, ihre Regressionsneigung unterstützt? Nicht, wenn die Beschneidung gemäß muslimischer Tradition vorgenommen wird. Vielmehr kann der Knabe seine männliche Identität leichter entwickeln. Der Knabe unterwirft sich erst Allah/Vater und wird symbolisch kastriert. Die Beschneidung dient unbewusst als »Vergeltung« für inzestuöse Wünsche, da der Knabe aber dieses »Opfer« bringt, darf er ein Mann werden."

Der israelische Filmemacher Ari Libarski wiederum zeigt in seinem Dokumentarfilm „Circumcision“ etwa einen jungen Mann, der verzweifelt darüber ist, dass er kein normales Geschlechtsleben führen kann, weil ihm als Kind zu viel Haut weggeschnitten wurde. Libarski zeigt auch Eltern, die mit sich hadern, weil sie dem sozialen Druck nachgegeben haben und ihren Neugeborenen haben beschneiden lassen. Urologen und Kinderchirurgen wie Felix Schier können von vielen solcher Fällen berichten, wo der Schnitt schwerwiegende Folgen hatte oder zu ernsthaften Störungen beim Heranwachsen der Jugendlichen führen kann.

Auch der Psychoanalytiker Matthias Franz versucht im Spiegel eine Erklärung. Die Verunsicherung muslimischer Jugendlicher und Männer hänge womöglich auch mit dem „Genitaltrauma“ der Beschneidung zusammen. Das werde bei vielen muslimischen Knaben im 5. oder 6. Lebensjahr gesetzt. Das sei die Phase der „Konsolidierung ihrer sexuellen Identität“. Auf dem Höhepunkt der ödipalen Entwicklungsphase, sagt Franz, werde dieser blutige Schnitt gemacht. Ängste und ein Groll gegen die Mutter seien mögliche Folgen. Vielleicht, sagt er vorsichtig, kämen daher die "Verschleierungstendenzen“ und die Kontrolle der weiblichen Sexualität, vor allem aber ein „narzisstische Ehrbegriff mit hoher Kränkbarkeit“. Systematische Forschung gebe es darüber jedoch kaum. Für Franz hängt das „am traumatischen und konflikthaften Potential der Thematik“.

Die Vermutung, dass ein Zusammenhang zwischen Beschneidung und dem Auftreten einer Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS), wie es heutzutage in der Psychiatrie genannt wird, besteht, wird von Boyle et al. (2002) in einer Studie bestätigt. In der besagten Studie wurden 1577 philippinische Jungen im Alter von 11 bis 16 Jahren vor und nach einer Beschneidung (die entweder mit oder ohne Lokalanästhetikum durchgeführt wurde) beobachtet. Vor dem Eingriff wurde sichergestellt, dass nur Jungen in die Studie aufgenommen wurden, die keine PTBS aufwiesen. Nach dem Eingriff wurde bei 50 %, der medizinisch (mit Betäubung) und 69 % der rituell (ohne Betäubung) beschnittenen Jungen eine PTBS nach den gültigen Kriterien festgestellt. Die Posttraumatische Belastungsstörung stellt eine der schwersten psychischen Störungen überhaupt dar und kennzeichnet sich vor allem durch ein wiederkehrendes Durchleben des Traumas, die Abkapselung und den Verlust des Bezugs zur Umwelt, sowie möglicherweise starke Schreckhaftigkeit, Schlafstörungen, Gedächtnisverlust oder Symptome, die das Erlebte symbolisieren oder der traumatischen Handlung ähneln.

In einer Studie von Gemmell and Boyle's (2001), stellten diese fest, dass sich die Zirkumzision auf vielfältige Weise negativ auf die Psyche auswirkt. Sie fanden heraus, dass im Vergleich mit genital intakten Männern, zirkumzidierte Männer häufiger unglücklich mit ihrem Zustand waren, und starke Gefühle der Wut und Traurigkeit empfanden und sich "unvollständig", "betrogen", "frustriert", "abnorm", und "missbraucht" fühlten. Sie stellten ebenfalls fest, dass beschnittene Männer ein geringeres Selbstwertgefühl hatten, als intakte Studienteilnehmer.

Rhinehart (1999) erklärte in einer Studie, dass fast alle seiner beschnittenen Studienteilnehmer angaben, an psychologischen Problemen zu leiden. Diese Probleme beinhalteten "ein Gefühl der persönlichen Machtlosigkeit", "Angst überwältigt und viktimisiert zu werden", "fehlendes Vertrauen", "ein Gefühl der Verwundbarkeit gegenüber gewaltsamen Übergriffen", "Widerwille Beziehungen mit Frauen einzugehen", "geringes Selbstwertgefühl", "das Gefühl geschädigt worden zu sein", "das Gefühl verringerter Penisgröße", "Scham darüber nicht "Mithalten zu können"", "Wut und Gewalt gegenüber Frauen", "irrationale Wutreaktionen", "Suchtverhalten und Abhängigkeiten", "Schwierigkeiten intime Beziehungen aufzubauen", "emotionale Abstumpfung", "das Bedürfnis nach intensivieren sexuellen Erfahrungen", "sexuelle Gefühllosigkeit", "verringerte Zärtlichkeit in der Intimität", sowie "das Gefühl nicht verstanden zu werden".

Können Beschnittene oder Unbeschnittene einfach nach ihrer Facon glücklich werden? Die entscheidende Frage zu diesem Thema scheint mir tatsächlich zu sein, auch wenn es vielleicht ein wenig funktionalistisch klingt: ob denn die Liebesfähigkeit von Beschnittenen und Unbeschnittenen später signifikante Unterschiede aufweist? Ist eine Liebesfähigkeit, zu der auch Hingabe, Sanftheit und Selbstlosigkeit gehören, weiterhin ohne Einschränkungen möglich? Oder zeitigt diese unauslöschliche Kindheitserinnerung bestimmte Auswirkungen in der späteren Sexualorganisation zwischen den Geschlechtern? Vergessen wir nämlich nicht die Wunscherfüllung der Frau, die für einen aufgeklärten und emanzipierten Mann natürlich Pflicht sein sollte.
 
In einem psycho-analytischen Essay des Soziologen Michael Höttemann über den kontroversen amerikanischen Superhelden-Comic "Foreskin Man", der kleine Jungen im letzten Moment vor der Beschneidung rettet, konstertiert er, dass die Bedeutung einer vermeintlichen Organminderwertigkeit für das Subjekt diagnostiziert werden kann, die dazu führt, dass das Ideal-Ich auf reine Körperlichkeit zusammenschrumpft, und die Flucht zu fiktiven Ideal-Bildern der Exotik, des Sports und der Sexualität fördert. All diese Aspekte verweisen auf das Problem des Narzissmus, in dem das Subjekt aufgrund massiver Kränkungen und (kindlicher) Entbehrungserfahrungen kompensatorisch zu einer überwertigen Besetzung des Ichs (das im Comic mit Körperlichkeit zusammenfällt) genötigt wird, was zugleich aber zu der Fatalität führt, "die gesamte psychische Struktur dem allgemeinen Diktat der Unlustvermeidung" zu subsumieren und diesbezüglich "andere Menschen nur nach ihrem Nutzen zu taxieren".

Das Thema des (sexuellen) Genusses steht hierbei als Gegenbild zu einer innerpsychischen Leere, die immer wieder ins Bewusstsein einzubrechen droht. Mit Slavoj Žižek ist bezüglich solcher "hoch sexualisierter Symptome" von extrem narzisstischen Subjekten die Rede, "die einem Genuss-Befehl des Über-Ich unterliegen und Schuldgefühle beim Scheitern der Genussfähigkeit entwickeln […]. Zur Vermeidung der Schuldgefühle entfalten sie einen gleichsam perversen Zug, der vorgibt, Lust immer schon zu kennen und bezeichnen, beschreiben zu können, um damit sowohl die Angst vor zu großer Nähe als auch ihre narzisstische Leere zu leugnen."

DaiSik Kim von der Universität Seoul in Südkorea befragte 2009 in einer Studie knapp 400 sexuell aktive Männer in unterschiedlichem Alter, von denen zwei Drittel beschnitten und ein Drittel unbeschnitten waren. Jeder zweite Mann, der vor seiner Beschneidung schon Sex hatte, spürt später beim Masturbieren weniger Lust, wird berichtet. Zwei Drittel der Männer gaben in der Befragung sogar an, die Selbstbefriedigung falle ihnen schwerer als vorher. 20 Prozent der Männer klagten, ihr Sexleben habe durch die Beschneidung gelitten. Nicht einmal jeder zehnte Mann behauptete, dass Selbstbefriedigung und Sexleben nach dem Eingriff mehr Spaß machen als vorher. Als Ursache vermutet Kim, dass es bei der Beschneidung zu Komplikationen und zum Verlust von Nervenendigungen (Verbindungen zwischen den Nerven in der Haut) kommen kann.

Zum Schluss unseres kleinen Exkurses über die Beschneidung sollen noch zwei, wie ich nach meinen Recherchen finde, exemplarische Forenteilnehmer mit ihren Kommentaren zu Wort kommen, die sich ziemlich ungeschminkt zum Thema Beschneidung und Sexualität äußern:

(männlich, 26): "Ich habe gelesen, dass die sogenannte Handarbeit dann wohl etwas schwerer und mit (edit: ohne) Gleitgel kaum noch möglich wäre. Das würde mir rein gar nicht gefallen. Sein Kollege widerum meint, er wäre, seit er beschnitten ist, beim Oralverkehr nie wieder gekommen. Auch das geht mir deutlich gegen den Strich. Für ein bisschen längeren Sex möchte ich auf diese Dinge nicht verzichten respektive sie erschweren..."

(weiblich, 21): "von dir das du das freiwillig tun würdest für mich wärs ein muss bei einem mann, ich würde meinem freund keins blasen wenn er nicht beschnitten wäre, und ich finde einen unbeschnittenen penis sehr unästehtisch. naürlich ist es ind deinem alter nicht gerade sehr toll das zu machen, ich glaube 6 wochen kein sex und so, aber das geht vorüber.also ich steh auf beschnittene wegen der ästethik, das wegen der hygiene und vorbeugung von krankheit sei dahingestellt. man kann sich auch immer sehr gut waschen. aber ich hab mal in einem pflegeheim gearbeitet und musst bei älteren männern die intimwäsche machen, da muss man auch die vorhaut zurückschieben, und was sich da alles für dreck bei einigen gesammelt hat, find ich dann nicht so schön wenn bei meinem freund so was wäre, zudem sieht dann der freiliegende teil so glitschig aus, und gefällt mir überhaupt nicht. ich hatte nur mit beschnittenen männern sex und ich hab nicht lust auf einen unbeschnittenen ,ich kann nicht sagen was besser ist, die meisten frauen stehen auf beschnittene und ich habe noch keinen beschnittenen mann gekannt der sagte er hätte die vorhaut lieber noch. ich werde wenn ich mal söhne habe, diese auf jeden fall beschneiden, es ist sicher nichts verkehrt daran."

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