„Geile Sybillchen“ - Erotische Fantasien von Horst Janssen in Oldenburg

23.09.2014 17:14

Horst Janssen - zu Phyllis 1984

Das Sujet der erotischen Zeichnungen war für Horst Janssen von Anfang an inspirierend und von zentraler Bedeutung in seinem grafischen und drucktechnischen Werk. Aus diesem Grund widmet das Horst-Janssen-Museum in Oldenburg noch bis zum 16. November 2014 den „Geilen Sybillchen“ – wie Janssen die zahllosen lüsternen Gespielinnen seiner künstlerischen Fantasie belustigt nannte – eine umfangreiche Sonderausstellung. Der 1929 geborene und 1995 gestorbene Horst Janssen gilt als als einer der bedeutensten deutschen Grafiker und Zeichner der Nachkriegszeit. Das umfangreiche Oeuvre des zwischen Expressionismus und Surrealismus oszilierenden Grafikers umfasst ein nicht minder beachtliches Konvolut erotischer und sexuell expliziter Arbeiten, deren frühe Phase in den 60er- und 70er-Jahren hier absolut sehenswert ausgestellt ist.

 

"Was zurzeit an den Wänden im Horst-Janssen-Museum hängt, ist teilweise nichts für zarte Gemüter.", berichtet Radio Bremen: "Frauen in eindeutigen Posen, die sich zu zweit oder zu dritt vergnügen, heftige Sadomaso-Praktiken, gefesselte Frauen, die gefoltert werden, und auch sexuelle Handlungen mit Tieren." Also alles Themen, die der streitbare Künstler aufgriff, der seine erste Werkschau 1965 in der renommierten Kestner Gesellschaft in Hannover bestücken konnte. Heutzutage würden solche Darstellungen als möglicherweise wenig 'politisch korrekt' gelten. Anders als das in den Jahrzehnten der Auklärung und des Aufbegehrens der Fall war, in der Zeit der Hippies, von SexPol und PopArt und des ganzen avantgardistisch-revolutionären Aufbruchs - all dieser in der spießigen, heilen Welt des Wirtschaftswunders so plötzlich aufkeimenden und ausgeilenden Triebe unbändiger Kunst und Lebensart.

Die Horst-Janssen-Ausstellung in Oldenburg zeigt sowohl Studentenarbeiten des Künstlers, die unter dem Namen "Vorspiel" zusammengefasst sind, als auch spätere Arbeiten. In seiner frühen Schaffenszeit fertigte Janssen kleinformatige Holzschnitte, inspiriert durch den deutschen Expressionismus und Edvard Munch. Später widmete er sich immer mehr druckgrafischen Arbeiten. Überwiegend sind Zeichnungen von Frauen entstanden, die meist allein und bildfüllend sind. Zeit seines Leben war Janssen an Sex interessiert. Eine Ausstellung, die sich nur mit diesem Thema beschäftigt, sei längst überfällig gewesen, so Museumsleiterin DR. Jutta Moster-Hoos im NDR.

Bereits seine frühen Radierzyklen sind der Erotik gewidmet. Mit ihrer fantastischen, versponnenen Bilderfindung stehen diese Radierungen der Art Brut nahe und sind doch ganz eigenständige Entwürfe.Die "geilen Sybillchen" zeigt das Horst Janssen Museum anhand ausgewählter Blätter aus „Nana“, 1959 und „L’heure de Mylène“, 1962. Janssen präsentiert die Gespielinnen, die in seiner Fantasie ihre erotischen Bande knüpfen, dabei mit eleganter, feiner Linie oder auch mit kraftvollem Strich, der die ganze Platte überzieht.

Außerdem schafft Janssen eine ganze Reihe von Bleistift- und Farbstiftzeichungen, die den Frauenakt ins Zentrum stellen. Mit diesen Feinstrichzeichnungen macht er auf der Biennale in Venedig 1968 Furore. In dieser Zeit nennt sich Janssen selbst „Millionenstrichler“ und seine Werke „Fleischzeichnungen“. Zu sehen sind die schönsten Beispiele dieser aufwändigen Blei- und Buntstiftzeichnungen.

Einen Höhepunkt in Janssens erotischer Kunst bildet zweifellos der Aquarellzyklus „Phyllis“, in dem Janssen sehr malerisch vorgeht. „Seine Werke muten zunächst wie romantische Bilderfindungen an, um sich auf den zweiten Blick als Darstellungen sexueller Handlungen zu entpuppen“, erläutert Dr. Moster-Hoos weiter. "Doch auch der Humor spielt in Janssens Erotik eine herausragende Rolle: Besonders in den farbigen, spontanen Aquarellen „Drollerei“, die ab den 90er-Jahren entstehen, findet man einen gelösten, fast spielerisch arbeitenden Künstler, der sich auf immer neue Art seinem Thema nähert.

Ob Janssen ein Pornograph sei?, wird die Museumsleiterin gefragt. Nein, sagt sie. "Das ist Kunst. Es ist seine künstlerische Freiheit, uns das Thema zu zeigen und auch drastisch zu zeigen", so die Leiterin. Dem Künstler wurde oft vorgworfen, frauenfeindlich zu sein. Die Austellung zeige aber auch Bilder, bei denen die Frau über dem Mann steht und ihm beispielweise auf der Nase herumtanzt.

Außerdem hätten die Werke eine tiefere Bedeutung, so die Leiterin. "Es ist immer so, dass man sich mit der Kunst beschäftigen muss und nicht nur mit dem Sexualakt, der abgebildet wird". So sehe mensch in der Aquarellserie "Phyllis" auf den ersten Blick eine Biedermeier-Szenerie im Mondenschein. Bei genauerem Hinsehen sind allerdings fröhliche Sadomaso-Praktiken zu erkennen. Auf die Frage nach möglichen Obzessionen Horst Janssens wollte sie jedoch keine Rückschlüsse auf Janssens Umgang mit Frauen ziehen. Die Darstellungen seien, zugegebenermaßen nicht ganz jugendfrei, alldieweil reine Fantasie.

Die Ausstellung im Horst Jannssen Museum in Oldenburg zeigt fast 200 Zeichnungen, Holzschnitte, Radierungen und Aquarelle auf zwei Ebenen. Die erste Etage sei dabei auch noch für Kinder geeignet, so Dr. Moster-Hoos. Auf der zweiten Ebene solle ein Elternteil vorher überprüfen, ob die Ausstellung für das Kind noch das richtige sei.

Die Ausstellung ist noch zu sehen bis 16. November 2014 im Horst-Janssen-Museum Oldenburg, Am Stadtmuseum 4-8, 26121 Oldenburg. Öffnungszeiten sind Dienstag bis Sonntag jeweils 10 bis 18 Uhr,  durchgehend geöffnet. Montags ist geschlossen. Nähere Infos:


http://www.horst-janssen-museum.de

 

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