Die erotische Pose in der Galerie Holbein Hannover

02.12.2014 19:06

Galerie Holbein - Die erotische Pose

Wie der Ausstellungstitel andeutet, stehen mehr intime Inszenierungen im Vordergrund der kunsterotischen Schau in der Galerie Holbein 4, denn nackte Tatsachen. Die zumeist weiblichen Aktmodelle sind auf großformatigen Fotografien festgehalten oder in Bronze gegossen. In Öl oder Acryl gemalt, mit Aquatinta gezeichnet oder mit dem Spatel gestaltet. Die feinsinnigen, erotischen Kunstwerke treten dem Betrachtenden mit offenem oder verhülltem Blick entgegen – manche sind gar ganz kopflos gestaltet. Solche kunstvollen Darstellungen bieten beste Beispiele dafür, wie sich Künstler und ihre Modelle heutzutage dem kontroversen Thema Erotik nähern. Joachim Giesel, Hans Scheib, Reinhard Stangl, Wolfgang Tiemann und Carsten Witte reflektieren dabei einfühlsam, sowohl vorder- als auch hintergründig und sublim das klassische Thema. "Die erotische Pose" mit Malerei, Grafik, Fotografie und Plastik ist eine sehenswerte Ausstellung in der besonderen, privaten und exklusiven Atmosphäre einer Villa im Malerviertel Hannovers.

 

 

Für „Die erotische Pose“ hat die Galeristin Bettina Engelke fünf Künstler zur Ausstellung in die seit 2006 bestehende Galerie geladen, um weniger kontroverse, als intime und intensive Positionen zu präsentieren. Zwei Fotografen, zwei Bildhauer und ein Maler nähern sich mit vornehmlich weiblichen Akten diesem Thema. Das ist schon allein deshalb spannungsreich, weil entgegen der obszönen, öffentlichen Pose in Medien und Porno, eine authentische Erotik eher intim und nahbar ist. Der Reiz der erotischen Pose liegt in einer Art kommunikativem Pingpong: Hier treten Modell, Künstler und Betrachtende gleichsam in ein Gespräch darüber, wie sich Erotik in Szene setzen und in ihrer Wahrhaftigkeit fassen lässt.

In einer Zeit, da Nacktheit kein Tabu, sondern in Kunst, Werbung und Wirklichkeit allgegenwärtig ist, scheint das nicht so einfach zu sein. Der Hamburger Fotograf Carsten Witte zeigt mal Modelle, die scheinbar in sich gekehrt zum Voyeurismus einladen, mal Frauen, die mit selbstbewusstem Blick in die Kamera dem Betrachter standhalten. Hannovers Fotografie-Altmeister Joachim Giesel inszeniert weibliche Linien hinter Gazeschleier zum Körperkonturentheater, was erotisch sublimer wirkt als pure Nacktheit. Der Berliner Hans Scheib vergoldet bisweilen Bronzefiguren selig lächelnder Kindfrauen und balanciert so auf der Grenze zwischen Kitsch und Kunst.

Und der hannoversche Künstler Wolfgang Tiemann steuert die einzigen männlichen Akte bei – freilich in eher fataler Lage: „Die Vertreibung aus dem Paradies“ zeigt Frau und Mann jeweils als kopflosen Torso, mit hängenden Brüsten und schlaffem Geschlecht. Auf Tiemanns Bild „Akt auf der Flucht“ scheint der Männertorso wie nach hinten geworfen. Männer sind auf seinen Bildern eher Objekte des Mitleids als des Verlangens: kopflos, nackt und geworfen – inszenierte Intimität, die sichtlich fremdbestimmt und künstlich ist.

Manche der Werke regen unsere erotische Erinnerung an oder sind von der Sehnsucht nach Erotik durchdrungen. Etwa ein großes Gemälde des Berliner Künstlers Reinhard Stangl mit dem Titel „Judith“. Es zeigt eine Nackte, die den Betrachter – und damit also zuerst den Maler – ernst und fordernd anblickt. So fordernd, dass der das Gesicht mit einem einzigen dicken, dabei aber wässrig-transparenten Pinselstrich übermalt hat. Judith, das Objekt vergeblicher, doch nicht vergangener Begierde? Oder sogar ein Symbol männlicher und künstlerischer 'Kastrationsangst', wie in dem blutigen, schicksalshaften Mythos von Judith und Holfernes.

Jedenfalls bietet die Ausstellung viele Anreize und Motive, um über die eigene Inszenierung von Erotik, oder dem möglichen Blick eines Anderen darauf, zu meditieren und zu reflektieren. Die intime Auseinandersetzung mit dem eigenen Eros, dem eigenen Körper, seiner Sinnlichkeit und dem Begehren, vermittels der Leidenschaft des Künstlers, ist das große Geschenk, das erotische Kunst dem Publikum machen kann.

„Die erotische Pose“ ist noch zu sehen bis zum 20. Februar 2015 in der Galerie Holbein, Holbeinstraße 4, in 30177 Hannover. Öffnungszeiten sind: Dienstag bis Freitag 16:00 bis 20:00 Uhr sowie Donnerstag vormittags. Weitere Informationen finden Sie über www.galerie-holbein4.de.

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