Facebook zensiert erotische Kunst

21.02.2011 12:40

Ursprung der Welt von Courbet

Ein neuer Fall von Zensur durch das beliebte Social Network Facebook empört Kulturinteressierte. Weil er ein Gemälde des französischen Künstlers Gustave Courbet (1819-1877) auf seinem Facebook-Profil veröffentlichte, wurde die Seite des dänischen Künstlers Frodo Steinicke gesperrt. Dieser hatte auf seiner Seite das Gemälde "Der Ursprung der Welt" des berühmten Künstlers des Realismus platziert, welches eingestandenermaßen zusammen mit anderen Gemälden von Frauen in anzüglichen und erotischen Posen schon bei seiner Veröffentlichung 1866 für einen kräftigen Skandal sorgte.

 

Nun jedoch, fast 150 Jahre später, scheint es mit der Freiheit und Freizügigkeit von Kunst für bestimmte Internet-Medien immer noch nicht allzu gut bestellt zu sein. Wie Florian Rötzer in telepolis berichtet, verstieß das inkriminierte Gemälde, das mittlerweile im Pariser Museé d'Orsay zu sehen ist, nachdem es vorher zum Privatbesitz des avantgardistischen und nicht ganz unumstrittenen Psychoanalytikers Jaques Lacan gehörte, gegen die Nutzungsbestimmungen des sozialen Netzwerkes. Wie es dort heißt, "wirst (Du) keine Inhalte posten, die verabscheuungswürdig, bedrohlich oder pornografisch sind, zu Gewalt auffordern oder Nacktheit sowie Gewalt enthalten."

Facebook erklärte auf Anfrage, dass nach den Nutzungsbedingungen Nacktheit verboten sei, und man ein virtueller Ort sein wolle, den man sicher besuchen könne und den auch zahllose Kinder nutzen würden. Dass diese erneute Zensur von Facebook sehr gut in die irreale, hysterische Debatte um die Pornografie-Gefahr und "Sicherheit" im Netz passt, wo mit fadenscheinigen Begründungen und aufgeblasenen Ekelszenarien, eine protestantisch-konservative Aussperrungs- und Selektionskultur verankert werden soll, wird leider wieder ausgeblendet oder bestenfalls nur am Rande diskutiert.

Es ist mindestens genauso obszön wie die mächtig behaarte Muschi des liegenden Frauenaktes, die Gustave Courbet mit Akribie und aufklärerischem Eifer malte, die 'nackten Profildaten' und Persönlichkeitsmerkmale der zumeist jugendlichen User der Facebook-Plattform zu speichern, zu sammeln und für Marketingzwecke zu mißbrauchen, als seien das Recht auf Privatssphäre und ungefilterte Information die eigentliche kulturelle Gefahr und ein Anachronismus, den es entschlossen zu überwinden gelte. Dabei scheint es für Facebook überhaupt nicht anstößig oder verabscheuungswürdig zu sein, Anzeigen der menschenfeindlichen Partei NPD neben den Profilen der lieben Kinder und Jugendlichen dort zu positionieren.

Da es eine ernstzunehmende Bedrohung für ein ein offenes, freiheitliches Internet darstellt, wenn immer mehr Mustererkennungs-Software das Netz nach zu beanstandenen Bildern, Seiten und Texten durchsucht, um diese dann im Zusammenhang mit immer strengeren Gesetzen und Konmtrollmechanismen zu sperren und gar zu löschen, müssen solcherlei Bestrebungen unermüdlich aufgedeckt und vereitelt werden. Dass diese Fälle sich häufen, belegen nicht nur die zunehmenden Repressionen gegen Aufdeckungsseiten wie Wikileaks oder Wikipedia, wo sich im letzten Jahr um einen Artikel zum Stichwort 'Vulva' mit einer entsprechenden Abbildung, ein hitziger Streit erhob. Sehr schnell wird an solchen Fällen klar, wie abhängig wir heutigen User von den kulturimperialistischen Katalogen des amerikanisch dominierten Medienmarktes sind.

Der oben erwähnte dänische Künstler hat mittlerweile seine Präferenzen geklärt und das beanstandete Bild aus seinem Profil genommen. Ihm scheint die Teilnahme an der Internet-Community dann doch wichtiger zu sein, als die aufmerksamkeitserregende Bebilderung seines Artikels. Dass die Galerie Liebreiz wohl nie über einen Facebook-Account verfügen wird, auch wenn das unter dem Gesichtspunkt eines erfolgreichen Marketings ihrer Internet-Präsenz kontraproduktiv sein könnte, ist für mich keine Frage. Abgesehen davon, das auf unserer Seite die zu beanstandene Nacktheit gleich dutzendfach präsentiert wird, und das eben mit dem Wunsch und Willen, der herrschenden Pornografie und dem voyeuristischen Fotorealismus der Postmoderne etwas artifizielles und substanzielles entgegen zu setzen, ist uns der Diskurs über Erotik, Liebreiz, Natürlichkeit und Schönheit zu wichtig, um ihn dem kapitalistischen Verwertungskalkül oder rückwärtsgewandten Moraldebatten zu opfern.

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