Erotik, Kunst und Hingabe des Schlafes in Bremen

14.11.2017 11:11

Felix Valloton - Nu à l'echarpe verte, 1914

Die zurück gelehnte Schöne im Halbakt von Felix Valloton bildet das Leitmotiv der Ausstellung. Der grüne Schal, der sich nachlässig um die Hüfte der Schlafenden schlingt, korrespondiert elegant mit dem Streifenmuster der gleichfarbigen Tapete des Hintergrunds. Die Ruhe aber enthält eine sublime Spannung, mindestens macht sie den Betrachtenden unausweichlich zum Voyeur. Das Thema Schlaf fasziniert seit jeher Künstlerinnen und Künstler. Zahlreichen ungelöste Rätsel und Geschichten, ranken sich um diesen unbewussten Zustand und sind bis heute Motiv für unzählige Kunstwerke. 70 davon stehen nun im Fokus der Ausstellung im Bremer Paula Modersohn-Becker Museum, die sich dem Schlaf in der Kunst von fünf Seiten nähert: der private, der öffentliche, der erotische und der märchenhafte Schlaf sowie – zu guter Letzt – das Bett als Ort des (Künstler-)Schlafs.

 

Scheinbar ungleiche Paare wie Gustave Courbet und Andy Warhol, Edvard Munch und Martin Eder oder Sophie Calle und Ernst Barlach begegnen sich und treten in einen Dialog. Die vom klassischen Gemälde über die Fotografie bis zur Performance reichenden Kunstwerke stellen in unserer rastlosen Gesellschaft ein Zeugnis und Plädoyer für den Schlaf als produktive Zeitverschwendung dar.

Hemmungslos reißen Männer und Frauen ihre Mäuler auf - und gähnen! Die Radierung "Siesta!" von Max Beckmann entstand 1918. Jetzt hängt sie in der Ausstellung, die auf drei Stockwerken und in fünf Kapiteln unterschiedliche Facetten des Schlafs vorführt. Zum Gähnen wird einem dabei jedoch nie!

So widmet sich ein ganzer Saal dem erotischen Schlaf. Schon in der Antike diente die Darstellung schlafender Götter und Göttinnen der Befriedigung sinnlicher Gelüste. Nun räkeln sich auf Gemälden und Fotos nackte Männer und Frauen. Stephan Balkenhol fräste aus einem gewaltigen Baumstamm einen überlebensgroßen, breitbeinig dahockenden Satyr. Und Felix Vallotton malte 1914 eine hellhäutige Schöne in der lasziven, langgestreckten Haltung der schlafenden Venus.

Kurator Frank Schmidt: "Sie ist eigentlich vom Künstler drapiert worden um angesehen zu werden. Um betrachtet zu werden. Es geht wirklich darum, den schlafenden Körper einer Frau möglichst gut zu präsentieren. Sie dem Betrachter zu präsentieren. Da ist man wirklich der Voyeur."

Dabei beginnt die Ausstellung ganz harmlos mit Genreszenen: Adolph Menzel skizziert seine über einer Näharbeit eingenickte Schwester, Paula Modersohn-Becker zeichnet ihren entspannt schlafenden Mann, andere Künstler malen ihre schlummernden Kinder. Der private Schlaf als Inbegriff von Beschütztheit und Geborgenheit.

Frank Schmidt: "Eigentlich ist ja die Vorstellung von Schlaf: Das findet in den eigenen vier Wänden statt oder in einem privaten Umfeld, man ist privat für sich, man ist geschützt. Und da setzt man sich der Umgebung aus und da kommt dieser gefährliche Aspekt mit hinein."

Und hier zeigt die Ausstellung auch die politischen und philosophischen Dimensionen des Schlafes (und des Träumens). In seiner berühmten Radierung "Der Schlaf der Vernunft gebiert Ungeheuer" nutzte Goya das Motiv für Kritik an Inquisition und Anti-Aufklärung. Die feministische Künstlerin Ulrike Rosenbach beispielsweise treibt diese Lesart 1977 dann weiter - bis zur Gegenwehr, zur Befreiung: In ihrem Video "10.000 Jahre habe ich geschlafen" wird sie aus dem Schlaf erwachen und sich gegen die gesellschaftliche Unterdrückung der Frau wehren.

Die sehenswerte Ausstellung "Schlaf - Eine produktive Zeitverschwendung" ist noch bis zum 4. Februar 2018 in den Museen Böttcherstraße in Bremen zu sehen.

http://www.museen-boettcherstrasse.de

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