Erogenous Zone. Ausstellung feministischer Kunst in Berlin

28.03.2013 13:30

Erogenous Zone by ƒƒ

Wie kann Sexualität auf andere Art dargestellt werden als in der üblichen Pornographie? Wie können Frauen in einer Weise repräsentiert werden, die sie nicht unterdrückt? Worin besteht der Unterschied zwischen männlich dominierter Pornographie und Erotik? Gibt es spezifisch weibliche Formen der Darstellung von Sexualität und Erotik? Gibt es heute eine andere Sicht auf die sexuelle Freiheit als in den 70er Jahren? Können wir unsere eigene, neue ‘Erogene Zone’ aus Arbeiten in dieser Ausstellung zusammenstellen? Diese Fragen werfen die beiden Kuratorinnen Mathilde ter Heijne und Juliane Solmsdorf mit der äußerst interessanten, ambitionierten Ausstellung "Erogenous Zone" bis zum 19. Mai 2013 in Berlin/Neukölln im Körnerpark auf. Diese Ausstellung der feministischen Künstlerinnen-Gruppe ƒƒ zeigt exklusiv, wie Frauen heute Sexualität und Erotik reflektieren und erleben und möchte dabei neue Kontexte und Rahmenbedingungen für eine aktuelle feministische Kunst schaffen.

 

Wie die Kuratorinnen berichteten, entwickelte sich die Ausstellung ursprünglich aus einem Open Call, der sich an Künstlerinnen, Freundinnen und Bekannte von ƒƒ richtete. Die Ausstellung beeinhaltet so die unterschiedlichsten Blickrichtungen und Arbeiten, von kleinen Zeichnungen bis zu großen Skulpturen und Video-Installationen – von Bildern, die den erotischen Körper zeigen, bis hin zu sehr abstrakten, sinnlichen Positionen. Die Künstlerinnen waren vom Open Call begeistert, wie zum Beispiel Magdalena Bichler, die erfreut zusagte. Ihre neue Arbeit "Jules" hängt gleich gegenüber vom Eingang. Auf Neonröhren hat sie einen schwarzen getragenen Stöckelschuh installiert. Die Idee kam ihr, als sie den Satz "Mit einem hochhackigen Schuh bekleidet, wird der Fuß zur mysteriösen Waffe" gelesen habe, so Bichler.

Venus und Phallus nebeneinander

Antje Majewskis große Gemälde zeigen "Venus" und "Phallus" nebeneinander, Eva T. Schippers projiziert über eine erotische Grafik von Hans Bellmer ein Video mit verfremdeten Körpern, die den sexuellen Akt der Bellmer-Grafik nachahmen. Und Christina Dimitriadis zeigt das Foto einer Frau, die sich in einem leeren Flur im Handstand gegen eine Wand stützt. Ihr weisses Kleid fällt nach unten, enthüllt so den nackten Unterkörper und verdeckt Oberkörper und Kopf. "Vergessensübung umgekehrt" heißt die Fotografie nach einer Notiz von Kant, "Ich muss mich erinnern zu vergessen" hieß es da.

Für ƒƒ ist Erotik selbstredend ein wichtiger Teil unseres Daseins, unserer Kunst und unseres Austauschs. Eigentlich sollte die Ausstellung in der Neuköllner Galerie im Körnerpark ja klipp und klar "Erogene Zone" heissen. Aber da machte das Berliner Kunstamt Neukölln als Hausherr nicht mit. Nun heisst die Schau "Erogenous Zone" und sie zeigt, wie Künstlerinnen heute weibliche Sexualität und Erotik sehen, erfahren und reflektieren. Wie sie selbst definieren und erkunden wollen, was Frauen begehren und was oder wen sie erotisch finden, und dass sie mit ihrer Kunst einen neuen Kontext für diese Themen schaffen wollen.

Zu ƒƒ gehören auch die Kuratorinnen der Schau, Juliane Solmsdorf und Mathilde ter Heijne. Ter Heijnes Meinung nach können Themen wie Feminismus, Erotik und Sexualität nicht nur diskutiert werden, sie müssten auch in die Praxis umgesetzt werden, "sonst bleibt man in der Theorie hängen, wie es in den achtziger Jahren passiert ist", sagt ter Heijne, "da endete die ganze feministische Debatte in den Gender-Studies". Ter Heijne hat Künstlerinnen eingeladen, die das Thema schon bearbeitet haben, während Solmsdorf, für die Feminismus auch gegenseitige Unterstützung bedeutet, Kolleginnen einlud, deren Arbeit sie schätzt und die sie ganz konkret fragte, ob sie mit dem Thema etwas anfangen könnten. Von ter Heijne ist "Black Hole" und "Desire" zu sehen, ein weißes Tuch mit einem liebevoll umstickten Loch, mit dem Frauen während des Geschlechtsverkehrs bedeckt werden können.

Abgebrannte Feuerwerkskörper als leer geschossene Orgasmusmaschine

Gezeigt wird eine Fülle von  Zeichnungen, Skulpturen, Objekten, Videos und Fotos. Offensichtlich ist die Auseinandersetzung mit den eingangs erwähnten Fragen aber auch der Spurensuche danach, wie verankert unser Vorstellungen von Erotik und Weiblichkeit in unserer und in anderen Kulturen sind. In westlichen Religionen gäbe es kaum Symbole für Erotik, nur eine Madonna, die Jungfrau ist, und der rationale Umgang mit der Welt klammere den Körper extrem aus, sagt Tanja Schomaker, deren Fries aus zwölf im Kreis gedrehten Würfeln nur aus drei gemalten Rauten besteht - dem Symbol der Vagina.

Am Eröffnungsabend von "Erogenous Zone" kamen rund 600 weibliche und 450 männliche Gäste und fast jeder blieb bei der jungen Amelie Jakubek stehen, die mit Schürze zwischen einem Tisch mit frischen Backwaren und einem Herd stand und aus süßem Teig eine Miniatur ihres Körpers buk. Wenn sie sich zum Herd drehte, sah man, dass sie unter der Schürze völlig nackt war. Sie wolle nicht Sklavin eines diktierten Körperkults sein, der Menschen subtil unterdrückt, ihr Trumpf sei Authentizität und sie suche nach dem optimalen Weg die Freiheit zu nutzen, die wir theoretisch haben.

Die teilnehmenden Künstlerinnen sind: Magdalena Bichler | Melanie Bonajo | Nine Budde | Eli Cortiñas | Sonja Cvitkovic | Christina Dimitriadis | Béatrice Dreux | Mary Beth Edelson | Simone Gilges | Mariola Groener | Guðný Guðmundsdóttir | Allison Halter | Mathilde ter Heijne / ƒƒ | Britta Helbig | Malin Holgersson | J&K / Janne Schäfer and Kristine Agergaard | Antje Majewski / ƒƒ | Kirsten Palz | Julia Phillips | Katrin Plavcak / ƒƒ | Jen Ray / ƒƒ | Nina Rhode | Fiona Rukschcio | Eva T. Schippers | Frauke Schmidt | Tanja Schomaker | Sarah Schumann | Juliane Solmsdorf / ƒƒ | Annie Sprinkle & Beth Stephens | Valerie Stahl von Stromberg | Melissa Steckbauer / ƒƒ | A.L. Steiner & A.K. Burns | Betty Tompkins | Magda Tothova / ƒƒ | Ellie de Verdier | Katharina Wulff

Diese faszinierende Ausstellung zur erotischen Kunst ist noch zu sehen bis 19.5.2013, siehe http://fffffff.org/
Galerie im Körnerpark, Schierker Str. 8, 12051 Berlin, U & S-Bahn: Neukölln (U7), Tel. +49 (0) 30 568 23 939, Öffnungszeiten sind Donnerstags bis Sonntags 10–20 Uhr.

Eine zweiter Ausstellungsort mit pornografischen Arbeiten und Bildern, die nur für Erwachsene geeignet sind, sollten Sie besuchen im Pony Royal, Siegfriedstr. 12, 12051 Berlin, Öffnungszeiten hier sind Samstags und Sonntags 10–20 Uhr.

Für Führungen oder Veranstaltungen können Sie sich anmelden unter: ff@fffffff.org

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