Dorothy Iannone - Kamasutra Pop Art bis 2. Juni in Berlin

28.02.2014 16:37

Dorothy Iannone - Coming Together

Sie wollte der Welt die „eigene Süße“ zeigen. Bedingungslos „süß“, lüstern, persönlich und exhibitionistisch sind daher auch die Bilder von Dorothy Iannone, in denen keine Phantasie zu wild ist, keine sexuelle Spielart ein Tabu, keine Obsession unausgelebt bleibt. Seit den 1960er Jahren gilt die kontroverse Künstlerin als eine Pionierin im Kampf gegen Zensur, für freie Liebe und weibliche Sexualität. Künstlerisch und konzeptuell geht sie bis heute ohne Kompromisse ihren eigenen Weg. Die Ausstellung „The Sweetness Outside Of Time“ in der Berlinischen Galerie gibt bis zum 2. Juni einen Überblick über Gemälde, Objekte und Bücher aus den Jahren 1959 bis 2014, in denen diese fröhlich-farbige, poppige, naive, spirituelle und sinnestrunkene Kunst in aller Fülle präsentiert wird.

 

 

Dorothy Iannones großes Thema ist die ekstatische Liebe. Die Gemälde, Bilderzählungen, Texte und Bücher dieser Vorreiterin für die sexuelle und intellektuelle Emanzipation der Frau speisen sich kompromisslos aus dem eigenen Leben. Iannones Kunst wurde immer wieder wegen angeblich pornografischer Inhalte zensiert. Doch ist unübersehbar, dass ihre Darstellungen der geschlechtlichen Vereinigung von Frau und Mann eine mysthische Dimension besitzen, die von einer geistigen wie körperlichen Einheit der Gegensätze ausgeht. Hier verankert sich ihre Bildwelt in der Kulturgeschichte und interpretiert auf eine moderne und persönliche Weise Aspekte vorderasiatischer Religionen, etwa des Buddhismus.


Liebe für die Kunst - Utopie des Seins

Nach ihrem Studium der Literaturwissenschaft und der Heirat mit dem wohlhabenden Maler und Mathematiker James Phineas Upham war Iannone viele Jahre durch die Welt gereist, lebte in Japan, der Türkei und Cap d´Antibes. Als sie mit ihrem Mann sowie dem Künstler Emmett Williams 1967 nach Island reiste, sollte diese Fahrt ihr Leben grundlegend verändern. In Reykjavik lernte sie den Fluxus-Künstler Dieter Roth kennen, dem sie auf Anhieb verfiel. Iannone handelte konsequent. Sie kehrte zurück nach New York und ihrem gutsituierten Leben den Rücken, packte am drauffolgenden Tag wieder die Koffer, um gemeinsam mit Roth in Basel, London und Düsseldorf zu leben.

Die leidenschaftliche Beziehung zu Roth war immer wieder Fokus ihrer Kunst. In der 48-teiligen „Island Saga“ zeichnete sie die Geschichte ihrer Liebe. „Dieter ist meine Muse“ betonte Iannone. Dieser wiederum nannte sie „Her Lioness“. Die Rezeption hingegen sah sie lediglich als das Anhängsel Roths. „Well you´ve got tits and the ass but you´re queen and an artist“ heißt es in einer Arbeit der Serie „Dialogues“. Die Schau möchte nun zeigen, dass die Künstlerin in ihrer Arbeit eine „Utopie des Seins“ schuf, in der Spiritualität, Kunst, Liebe, Erotik, Sex und Freundschaft untrennbar verbunden sind, wie es im Ausstellungstext heißt.


Pornografieverdacht und überklebte Genitalien

So ist es auch kein Wunder, dass die Werke der 1933 in Boston geborenen Wahl-Berlinerin lange Zeit regelmäßig der Zensur zum Opfer fielen; in der Stuttgarter Galerie Hansjörg Mayer etwa wurden sie 1967 von der Polizei beschlagnahmt und als Pornographie gebrandmarkt. In einer 1969 von Harald Szeemann kuratierten Gruppenausstellung in Bern forderten Künstlerkollegen sie gar auf, die Genitalien auf den Gemälden zu überkleben – was angesichts von deren ausbordenden Formaten jede Menge Klebeband erfordert hätte. Iannone konnte diese „Prüderie“ nicht fassen und zog ihre Werke zurück.

Überhaupt war das Thema „Zensur“ für Dorothy Iannone von gravierender Bedeutung. Als sie 1961 mit Henry Millers erotischem Roman „Wendekreis des Krebses“ in die USA einreiste, wurde das Buch beschlagnahmt. Sie prozessierte gegen den Staat New York, gewann und der Roman wurde von der Liste genommen. In dem Buch „Censorship And The Iresspressible Drive Towards Love and Divinity“ reflektierte sie ihre Einstellung zur Zensur.


Welttheater großer Brüste und erigierter Penisse

Obwohl sie sich im Kreis der Fluxus-Künstler um Daniel Spoerri, Robert Filliou und Ben Vautier aufhielt, blieb die Kunst der Autodidaktin davon weitgehend unberührt. Iannone umkreiste in ihren Arbeiten ausschließlich die Themen Sex und Liebe, nutzte leuchtende Farben und naive Formen und stellte die Geschlechtsorgane provokant in den Fokus, auch wenn die Figuren ansonsten vollständig bekleidet waren. So in der Serie „People“ von 1966/67, in der die Künstlerin ihre Zeichnungen auf Holz klebte, aussägte und aufstellte. Pop-Musiker, griechische Götter, japanische Samurai, Adam und Eva und Politiker – sie alle treten auf im „Welttheater“, ausgestattet mit riesigen, ornamental gestalteten Brüsten und erigierten Gliedern.

Diese Suche in der Kunst wie im Leben hat Iannone, die letzten Sommer ihren 80. Geburtstag feierte, immer ohne faule Kompromisse, mit großer Liebenswürdigkeit, Mut, Ausdauer und Offenheit verfolgt: "Dorothy Iannones großes Thema ist die ekstatische Liebe", so die Ausstellungskuratorin Annelie Lütgens. "Die Gemälde, Bilderzählungen, Texte und Bücher dieser Vorreiterin für die sexuelle und intellektuelle Emanzipation der Frau speisen sich kompromisslos aus dem eigenen Leben."


Ikone der Hippie- und New-Age-Bewegung

Entgegen den entsetzten und reservierten Reaktionen des damaligen etablierten Kunstmarktes reißen sich nun hingegen die großen Galerien und Museen um ihr Oeuvre. Von der jungen Generation und ihren in den 60ern und 70ern groß gewordenen Eltern gleichermaßen wird sie heutzutage für ihre tollen, großformatigen und weltumarmenden Hippiegemälde und Multimediaboxen, ihre Lieder, Bekenntnisse, Exhibitionsmen, ihr Durchhaltevermögen und ihre Leidenschaft geliebt. Diese Liebe und Zuneigung des Publikums gilt der Schönheit und der Unbekümmertheit der Kunst Iannones genauso wie ihrem Mut und ihrer Emanzipiertheit, als sie ihr Credo anläßlich ihrer Ausstellung 2005 in Hannover so formulierte:

"Liebende kennen keine Tabus und keine Prüderie. Wenn man sich liebt, dann ist alles erlaubt!"

Die umfangreiche, fulminante Werkschau mit den Werken Dorothy Iannones ist noch bis zum 2.6.2014 in Berlin zu sehen, in der Berlinischen Galerie, Alte Jakobstraße 124–128, 10969 Berlin. Öffnungszeiten: Mittwoch – Montag 10:00 – 18:00 Uhr, Dienstag geschlossen. Nähere Infos unter  www.berlinischegalerie.de

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