Die Biestigen und das Schöne (der Kunst)

06.01.2014 12:44

Mel Ramos - Panda

Einen eher unschönen Verlauf nahm eine Kundgebung anläßlich der Eröffnung der Ausstellung "Die Schöne und das Biest" im Leipziger Museum der bildenden Kunst (noch bis 24.01.2014). Das Museum zeigt darin Werke von Richard Müller, Mel Ramos und Wolfgang Joop. Eine Gruppe von Aktivistinnen und einigen Aktivisten protestierte dort am 23. Oktober 2013, um sich gegen das ihrer Meinung nach ausbeuterische und sexistische Frauenbild in der Kunst auszusprechen. In der Schau treffen die surrealen, von Frauen und Tieren bewohnten Bilderwelten Müllers auf die PopArt des 1935 geborenen Kaliforniers Mel Ramos sowie auf Zeichnungen von Tieren, Engelskulpturen und mit Seide bestickte Gemälde von Modeschöpfer Wolfgang Joop, der ein Bewunderer Müllers ist und die Schau kuratierte. Der Protest nun eskalierte alsbald im Handgemenge und wüsten Beschimpfungen des Kunstpublikums.

 

"Kein Sex mit Tieren!"

Wie die 'taz' berichtete, wurde die Vernissage durch eine Gruppe Frauen, die Tiernamen riefen und ein Plakat hochhielen, unterbrochen. Diese störten die Vernissage mit dem Ruf "Nazis raus aus unseren Museen!" und "Kein Sex mit Tieren!". Müllers Frauen-Darstellungen wurden als sexistisch kritisiert und wegen der sodomistisch angehauchten Motive gegen den Missbrauch von Tieren protestiert. Außerdem richtete sich der Protest gegen die PopArt-Werke des kalifornischen Künstlers Mel Ramos, mit nackten Frauen und Tieren.  Ramos wurde in den 1960er-Jahren bekannt durch seine erotisch aufgeladenen Werbebilder. In ihnen platzierte er Pin-ups neben Konsumprodukten. Außerdem reüssierte er mit üppigen Akten, die er kombiniert mit allem, was die Tierwelt hergibt. In seinen berühmten Animal Paintings schmiegen sich Nackte verspielt in mächtige Gorillapranken oder lagern auf einem Nashorn-Rücken.

Die Proteste richteten sich aber auch gegen den Künstler Richard Müller (1874-1954), der sich als Rektor der Dresdner Kunsthochschule damals nach der "Machtergreifung" 1933 als strammer Nazi outete und von dem Hitler wiederum glühender Verehrer gewesen sein soll. Richard Müller war an der Vorbereitung der Ausstellung "Entartete Kunst" im Lichthof des Neuen Rathauses beteiligt, die als Vorläufer der berüchtigten Ausstellung in München von 1937 gilt. Kunst zu politisieren und mit jeder Art von Zensur oder Verbot beschränken zu wollen, ist generell ein peinliches, unnützes und abzulehnendes Begehr. Ob Kunst denn alles darf?, höre ich schon bedenkenschrille Stimmen aus dem Hintergrund. Aber ja!, Kunst darf alles, natürlich per Definition, weil Kunst eben keine Pflicht ist, sondern die Kür - der individuelle Schöpfungsakt.

Zum einen verhilft die darauf folgende Publicity der jeweiligen Kunst zu noch mehr Beachtung, zum anderen erscheint es immer zutiefst reaktionär und rückwärtsgewandt, wenn Kunst, deren Anspruch heutzutage ja die Aufklärung, das Experiment, die Vision sind, auch wenn sich solche Kunst provokativ und revolutionär gibt, um gar nicht von der sprichwörtlichen Freiheit der Kunst zu reden, wenn solcherart emanzipierte Kunst eben durch kleingeistige und fundamental-ideologische Hirngespinste bekriegt werden soll. Siehe all die peinlichen Rechts- und Moralstreitigkeiten wegen Hitlergruß-Meese, dem Femen-Aktivismus oder Mohammed-Karikaturen.

Schädel-Hirn-Trauma vs. moralin-saure Gehirnerweichung

Als die feministischen Aktivistinnen aus dem Museums-Foyer geführt wurden, kam es zu einem Handgemenge, das vor dem Eingang mit einem Faustschlag des Wachmanns auf den Kopf einer Demonstrantin gipfelte. Die Aktivisten erlitt ein Schädel-Hirn-Trauma. Der Wachmann hatte die Protestierenden gefilmt und reagierte, als eine Aktivistin dies unterbinden wollte. Diese in ihrem Hergang durchaus surreal ablaufenden Vorgänge auf einer Kunstvernissage erinnern an Aktionen von Bilderstürmern am Anfang des letzten Jahrhunderts oder an Überfälle von (meist religiösen) Fundamentalisten auf modernistische und avantgardistisch gesinnte Künstler und Einrichtungen bspw. in Istanbul oder Teheran.

Ideologisch motivierte Proteste gegen Kunst und Künstler sollten jedoch allemal bedenklich stimmen, zumal seit unserer Vergangenheit des Deutschen Reiches sowie des DDR-Regimes, wo jedesmal Künstler damit rechnen mussten, verfolgt, unterdrückt bis ermordet zu werden, weil sie für ihre Meinungsfreiheit oder den freien Ausdruck ihrer Persönlichkeit einstanden. Außer gelegentlichen Fällen von Selbstverstümmelung und Rangeleien mit der Staatsmacht ist Gewalt generell nicht die Sache der Kunst, sondern Interesse und Dialog sind vorrangig die Intention, die Künstler und Künstlerinnen im Austausch mit dem Publikum hervorzurufen wünschen.

Museumsdirektor Hans-Werner Schmidt äußerte sich jedenfalls "total überrascht" über den anti-sexistischen Protest. Hatte das Museum doch eher mit Kritik an dem durch die Nazis protegierten Maler Richard Müller gerechnet. "Wir suchen die Auseinandersetzung" zitierte die "taz" den Direktor. Ob dies durch das Künstlergespräch mit Mel Ramos einen Tag nach der Vernissage gelang, kann bezweifelt werden: Die Protestgruppe blieb dem Gespräch im Leipziger Museum für Bildende Kunst leider fern, wie berichtet wurde.

 

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