Der erotische Moment in der Wiener Alfred Kornberger Foundation

03.05.2020 17:44

A. Kornberger - Gelbe Akte im Spielzimmer 1996

Der österreichische Künstler und Expressionist Alfred Kornberger schuf ein opulentes malerisches und grafisches Werk, mit Fokus auf die erotische Kunst, aus knalligen Farben, üppigen Formen und ausgelassenen Stimmungen. Seine wichtigsten Leinwandgrößen sind Akte und lustvolle Posen. Aus anfänglich idealisierten, göttlich weiblichen Gestalten verwandeln sich seine Darstellerinnen immer mehr in wolllüstige, sinnliche und hitzige Furien. Mit der aktuellen Eröffnungsausstellung „Der erotische Moment“ und einer retrospektiven Werkschau der vielen Aktmotive aus dem Bestand der Alfred Kornberger-Foundation und seiner Familie stehen jetzt in der Wiener Bäckerstrasse die neuen musealen Schauräume mit ihrem Schwerpunkt auf Expressionismus und den Akt in der zeitgenössischen und modernen Kunst für den Publikumsverkehr offen. Im Zentrum stehen neben Alfred Kornbergers Arbeiten dabei vor allem die zahlreichen, kongenialen erotischen Künstler und Künstlerinnen aus Österreich mit ihren Werken, in regelmäßigen Abständen sollen jedoch auch internationale Positionen gezeigt werden.

 

 

Alfred Kornberger (Wien 1933 bis 2002 Wien) war Meisterschüler an der Akademie der bildenden Künste in Wien und gilt als einer der bedeutendsten Expressionisten in der österreichischen Kunst nach 1945. Ob seiner obsessiven Auseinandersetzung mit dem weiblichen Akt und seiner zeichnerischen Qualität wird Kornberger von Kunsthistorikern und Kuratoren immer wieder auf eine Ebene mit Egon Schiele gesetzt. Ähnlich wie Schiele variiert Kornberger den weiblichen Akt aus dem Blickwinkel des männlichen Voyeurs. „Mir geht es um die Ergründung des weiblichen Körpers im Augenblick des Malens, um den erotischen Moment, der sich auf den Zeichenstift überträgt“, so Kornberger 1990 in seiner ersten Monografie.

Ein Ortswechsel vom Atelier ins Varieté eröffnet dem Künstler neue Perspektiven. Im frühen "Moulin-Rouge-Zyklus" findet Kornberger zur Bewegung und lässt zukünftig seine Bilder durch Strich und Farbe schwingen. Musik, Tanz, Akrobatik und massenhaft Frauen, die er mit all ihren Reizen darstellt, bestimmen seinen weiteren Weg. Neben seinen überschwänglichen Lebensstil übersieht er aber nicht die Grobheiten der Welt. Kornbergers Werk lässt auch eine gewisse Gemütstiefe erkennen, wo er lang beherbergte Unruhen und Ängste in seiner Arbeit durchlebt. Als Künstler wendet er sich in seinen Bildern auch an die Menschlichkeit. Er protestiert gegen Krieg und Gewalt. Gesichter und Figuren werden verzerrter, der Mensch verliert das Paradies.

Kornbergers Beitrag zur österreichischen Malerei des zwanzigsten Jahrhunderts liegt zum einen in der Ausschließlichkeit, die er dem Motiv des weiblichen Aktes in seinem Œuvre einräumt. Es gibt kaum einen vergleichbaren Fall, wo ein Künstler sich dermaßen in sein Atelier zurückgezogen hat, kaum gereist ist, sich wenig um den übrigen Galerien- und Ausstellungsbetrieb gekümmert hat, nur aus dem einen Grund, um möglichst jede freie Minute für die Arbeit mit Aktmodellen verwenden zu können. Den Wunsch nach Gesellschaft erfüllte sich Kornberger am liebsten dadurch, indem er möglichst viele Aktmodelle in sein Atelier einlud. Kornberger huldigt in seinem Werk einem Frauenideal, das nicht der trivialen Ästhetik einer vordergründigen Erotik genügt. Seine Bilder bieten reiches Material für einen vielfältigen Diskurs zwischen stilistischer Variation und reiner Malerei.

Die Kunst in Österreich im 20. Jahrhundert kennt eine Reihe prominenter Künstler, die eine besondere Vorliebe für das weibliche Aktmodell hegten. Hier ragt vor allem Gustav Klimt heraus, der einer weiblichen Ästhetik huldigte, die den Frauentypus des Fin de Siècle entscheidend prägte. Mit raschen Bleistiftkonturen hat Klimt seine Aktmodelle auf tausenden von Blättern festgehalten. Ähnlich wie Kornberger hat Klimt häufig vor demselben Modell in rascher Folge gleich mehrere Versionen aus unterschiedlichem Blickwinkel geschaffen. Stets bleibt Klimt an der Ästhetik der weiblichen Schönheit haften, kaum dringt sein Blick in die psychologische Ebene seiner Modelle.

Der formale Anspruch von Egon Schieles Aktdarstellungen in Bleidtift, Gouache oder Aquarell geht weit über Klimt hinaus. Schiele macht bereits mit der Art, wie er Modelle ins Bild setzt, wie er ihr Verhältnis gegenüber dem Leerraum definiert, sie zuweilen abschneidet und fragmentiert, eine wesentliche Aussage über die Befindlichkeit der dargestellten Personen. Expressive Gestiken und eigenwillige Körperverrenkungen tragen weiters dazu bei, dass der Betrachter angesichts einer solchen eigenwilligen Sichtweise des Künstlers nicht selten überrascht und ratlos reagiert. Auch Alfred Kornberger überrascht den Betrachter immer wieder mit höchst ungewöhnlichen Fokussierungen auf bestimmte Körperpartien oder Ausdruckspotentiale seiner Modelle.

Alfred Kornberger verstarb 2002 und 2016 folgte ihm seine Frau Nevenka. Der Nachlass regelte die Gründung der Alfred Kornberger Foundation und damit die weitere Aufarbeitung des in Summe rund 4.000 Werke umfassenden Œvres. Die neuen musealen Schauräume zeigen nun in regelmäßigen Abständen Auszüge aus Kornbergers-Werk und dazu passende Positionen anderer KünstlerInnen im Bereich Expressionismus und Akt.

Museum, Art-Shop & Galerie haben geöffnet von Di bis Fr: 11 - 18 Uhr und Sa von 10 - 13 Uhr. Alfred Kornberger Foundation, Bäckerstrasse 9 in 1010 Wien.

www.alfredkornberger.com

 

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