Nadine-Alexandra Dillenhöfer - submissive dominance

 

Eigentlich mag Galerie Liebreiz nicht so gerne Aktporträts und -gemälde, in welchen keine Gesichter auftauchen oder welche, die nur halb oder abgeschnitten sind. Hintergrund ist, dass auf diese Art eine Anonymisierung und Entpersonalisierung des schönen, erotischen und vom Künstler begehrenswert in Szene gesetzten Aktmodels stattfindet. Leicht kommt es zu einer Reduzierung des Models auf ihren wohlgeformten Körper und mit einher gehender Fokussierung auf primäre und sekundäre Geschlechtsmerkmale. Jedoch gibt es auch einen großen Bereich innerhalb der erotischen Kunst, der im Gegensatz dazu nicht die Freizügigkeit und Zügellosigkeit zelebriert, sondern Anonymität, Ritualisierung und das Tabu favoritisiert. Diesem Thema sind die hier gezeigten Arbeiten von Nadine-Alexandra Dillenhöfer gewidmet.

 

Der Ausstellungstitel "submissive dominance" erscheint spontan wie ein Widerspruch, weil Unterwerfung/Demut und Dominanz/Macht oft als gegenteilige Bereiche von Erotik und Sexualität wahr genommen werden. Doch wie auch aus der psychoanalytischen Wortprägung vom 'Sadomasochismus' hervorgeht, hängen beide Arten dieser erotischen Leidenschaften, Fantasien und Inszenierungen eng miteinander zusammen und ergänzen sich. Mit der Psychoanalyse wissen wir, dass jeder Mensch, jedes Subjekt als einzigartige Persönlichkeit und Individuum, eine (permanent zu erneuernde) Synthese (Vereinheitlichung) darstellt aus fundamentalen Widersprüchen des Lebens, wie der Dualität von männlich und weiblich, von Herr und Knecht, von Lust und Schmerz oder von Strenge und Hingabe.

Manchen gelingt es oft erst im fortgeschrittenen Lauf ihres Lebens, die sie persönlich betreffenden Widersprüche in sich aktiv, kreativ und konstruktiv aufzulösen oder gar miteinander zu verschmelzen - in dem Sinne: "The best of both worlds". Die tief sitzenden Widersprüche sind meist den (unbewussten) Einflüssen der Eltern sowie traumatischen Erlebnissen und unlösbaren, existentiellen Situationen aus der Kindheit geschuldet. Vor allem in der Sexualität, aber auch in der Partnerschaft, ja generell bei der Interaktion mit Anderen (ebenfalls widersprüchlichen Individuen) müssen derlei Widersprüche oder Antagonismen immer wieder neu austariert und verhandelt werden.

 

 

 

 

Die Arbeiten von Nadine-Alexandra Dillenhöfer beziehen sich explizit auf diesen inneren, in Ritual und Inszenierung vollzogenen und ausagierten Widerstreit dieser Kräfte des Begehrens. Das Bild "Golden Decision" beschreibt in dieser Hinsicht die Entscheidung, die eigene Lust den Regeln und der Struktur der Gemeinschaft unterzuordnen - Etikette und Dresscode dienen dann dem Lustgewinn. "Hidden Desire (Verstecktes Begehren)" stellt einen Bruch der normalen Wahrnehmungsebenen dar, die hier als ineinander verschachtelte Bilder erscheinen. Das Wechselspiel einer konkreten, realen Dingebene (symbolisiert durch die Riemen, Schnallen oder Ketten) ist hier kontrastiert mit einer abstrakten Symbolik auf der Ebene des Ideellen, wie der Bildhintergrund der emotionalen Handschrift oder der vordergründig kontrastierende Rosenstrauß als Symbol von Liebe und Leidenschaft zeigen.

"Uncontrollable Deviation (Unkontrollierbare Abweichung, Differenz)" wiederum verdeutlicht Dillenhöfers Ansatz, den doch engen, strengen Rahmen der devoten, unterwürfigen Session zu nutzen, um sich selbst neu zu entdecken, neu zu erfinden in der bewusst und freiwillig gesuchten Extrem- und Leiderfahrung. Das kann dazu dienen, die eigenen Körpergrenzen besser kennen zu lernen und im Ausgeliefertsein an eine andersartige, schreckerregende, peinliche und demütigende Situation und Person, seine eigene Lust neu zu entdecken und mittels des (stark reglementierten und streng kodierten) Spieles mit verschiedenen Identitäten zur eigenständigen sexuellen Persönlichkeit heranzureifen, die durch Leid und (Liebes-)Entbehrung ihre eigenen Wünsche und ihren Willen entdeckt, welche nicht die Macht und der Wille eines Anderen sind.

Der Akt in "Uncontrollable Deviation" bricht aus dem strengen, auf erotische Distanz und Zurückhaltung bedachten Rahmen für Submissives aus. Zum ersten Mal ist das (wenn auch immer noch durch eine Augenbinde verhüllte) Gesicht des Models zu sehen, mit hingebungsvollem Ausdruck. Zwar trägt sie immer noch Fesseln und ist in verhüllende Dessous gekleidet, aber sie hat in Erregung ihre Brust freigelegt und kann/darf sich selbst befriedigen.

 

Die Farbe grün symbolisiert hier die Natur und das Wachstum. Sie hat nun ihre eigene Lust entdeckt und der Andere, dessen willenloses Lustobjekt sie vorher war, verschmilzt mit ihrer ureigenen, unbändigen Lust, zum Objekt der hemmungslosen Begierde des anderen zu werden. Das ist indes eine gehörige Abweichuung vom üblichen No-Sex-No-Nudity-Kodex zumindest der professionellen Submissive/Domina-Szene, wie er exemplarisch in: "THE RULES OF ETIQUETTE", geschrieben von einem Submissive Client, angemahnt wird: "Professional Femdom is not prostitution, Professionelle Dominas are not prostitutes. If you are looking for sexual activities never and under no circumstance contact a Pro-Domme." (https://www.dominadynasty.com/blog-diadynasty/2016/1/13/the-rules-of-etiquette)

 

 

 

 

Nadine-Alexandra Dillenhöfer wurde geboren am 31.12.1984 in Düsseldorf, wo Sie heute lebt und arbeitet. Nach einer sehr langen und intensiven Krankheitsgeschichte hat sie die Liebe und Leidenschaft der Kunst für sich entdeckt und sich damit ein Stück weit wieder dem Leben geöffnet. Seit Oktober 2017 arbeitet sie an einer Bilderserie zum Thema Dominanz. Hierbei geht es um diverse Ängste und die Konfrontation, Erkennntnis und ihre Anerkennung. Denn nur die Erkenntnis und Akzeptanz hilft, mit ihnen klar zu kommen.

 

Wenn Sie mehr zu der Kunst oder zu der Person von Nadine-Alexandra Dillenhöfer wissen möchten, wenden Sie sich bitte vertrauensvoll an die Galerie Liebreiz, hier...

 

 

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