Markus Wilke - DNA

Markus Wilke bezieht sich in seiner DNA-Serie aus den Jahren 2003/04 auf das in der DNA (Deso-xyribo-nuklein-säure) enthaltene Erbgut, bestehend aus vier organischen Basen Adenin, Thymin, Guanin und Cytosin. Durch die Befruchtung der weiblichen Eizelle mit dem männlichen Samen, werden diese Millionen mal kopiert und über die einzelnen weiblichen Geschlechts-Organe verbreitet. Daraus soll ein neues Lebewesen erwachsen, geboren aus Vielfalt, hoffentlich nicht lebend in Einfalt.

 

 

Der erste Schritt der Geschlechtsbestimmung erfolgt bei der Befruchtung und ist das Ergebnis eines schlichten Zufalls. Wenn sich eine Samenzelle mit einer Eizelle vereinigt, bringt jede der beiden Keimzellen 23 getrennte DNA-Stränge, die Chromosomen, ein. Das befruchtete Ei besitzt also 46 Chromosomen, zwei davon sind Geschlechts-Chromosomen. Es gibt sie in zwei verschiedenen Ausfertigungen, nach ihrem Aussehen unter dem Mikroskop X- und Y-Chromosom genannt. Samenzellen enthalten entweder ein X- oder ein Y-Chromosom, unbefruchtete Eizellen hingegen immer ein X.

Gewinnt ein Spermium mit einem X-Chromosom den Wettlauf zur Eizelle, enthält die befruchtete Eizelle zwei X-Chromosomen (XX). Erreicht von den 60 bis 100 Millionen Spermien, die während eines einzigen Samenergusses verschleudert werden, ein Samenfaden mit einem Y als erster sein Ziel, enthält die befruchtete Eizelle folglich ein X- und ein Y-Chromosom (XY). Die Kombination der Geschlechts-Chromosomen bestimmt, ob sich weibliche oder männliche Keimdrüsen entwickeln: XX läßt im heranwachsenden Embryo Eierstöcke, XY Hoden entstehen.

 

 

Darüber hinaus jedoch ist die Synthetisierung und Prägung eines neuen Lebewesens - unabhängig von religiösen Erwartungen - von einer Vielzahl unmöglicher Zufälle und mehr oder weniger glücklicher Faktoren abhängig, wie Kopierfehlern, Umwelteinflüssen, demografischen Verhältnissen oder sozialpsychologischen Aspekten. Die Frage bleibt: Wie aber entsteht in der Materie der Funken (der Information), eine Schöpfung, bzw. eine Funktion, ein Wille, ein Bauplan, welche totes Material anregen, sich zu organisieren, organisch zu werden, um dann aus sich selbst heraus, komplexe, neue Gebilde bis hin zu sich selbstbewusst weiter entwickelnden Lebewesen zu generieren?

Auch wenn wir alle aus dem Gleichen hervorgegangen sind - aus einer Mutter, die sich mit einem potentiellen Vater vereinigte um ihrer beider DNA in Form von X- oder Y-Chromosomen zu einem neuen Menschen - und uns (strukturell, materiell und ideell) sehr ähnlich sind, ist doch jeder Mensch einzigartig auf Grund seiner spezifischen, dynamischen Mischung aus Anlagen und Einflüssen und den sich millionenfach daraus ergebenden Entfaltungsmöglichkeiten. Auf diese Art trägt jeder und jede von uns zu einem wunderbaren, großen Ganzen bei, welches wohl selbst wiederum nur Teil eines unendlich komplexen, allgestaltigen und wandelbaren Lebewesens darstellt.

 

 

Die DNA-Serie hat Markus Wilke so konzipiert, dass je vier der quadratischen Gemälde zu einer Komposition, einem Quadrichon, zusammen gesetzt werden. Alle vier sind Originalgemälde, also malerische Kopien des selben Motivs. Somit handelt es sich um keine mediale Vervielfältigung oder Drucktechnik. Minimale malerische Abweichungen sind bei genauerer Betrachtung zu erkennen. Kontrast und Unterscheidung zwischen den vier Einzelbildern lassen sich vor allem durch Spiegelungen in der Hängung erreichen. Pro Motiv erlaubt dies so eine Vielzahl von Kompositionen, genauso wie aus vier organischen Basenpaaren komplexe Lebewesen erwachsen.

Die in der Galerie Liebreiz gezeigten DNA-Gemälde zeigen jeweils eines von vier Gleichen. Die vollständigen Quadrichons lassen sich für reelle Ausstellungen in der Reihe sowie im Quadrat hängen. Diese Formationen abwechselnd gehängt ergeben dadurch einen mäandernden Wandfries. Der Mäander ist ein seit der Jungsteinzeit verwendetes orthogonales Ornament. In der griechischen Antike steht dieses Ornament für die Erlangung der Ewigkeit als Dauer in der Zeit durch Reproduktion (Kopie).

Ein alterndes Wesen setzt ein junges an seine Stelle und erlangt so die Unsterblichkeit. Das ältere Wesen rollt sich zusammen, faltet sich ein, während sich ein Junges entfaltet und in einer (idealerweise) spiralförmigen Bewegung wie ein Wirbel aufsteigt. Der Mäander ist ebenso eine Anspielung auf den uralten und ewig jungen Gott Eros, wie auf den steten, Labsal spendenden und gemächlich durch die Landschaft mäandernden Fluß des Lebens. Der Mäander das Symbol für die sich ewig erneuernde Energie des Kosmos – genauso wie Vagina und Vulva bei der Frau.

 

 

Markus Wilke, geboren 1957 in Haslach im Kinzigtal, fasste schon in jungen Jahren den Entschluss, eine künstlerische Laufbahn einzuschlagen. Mit 14 Lenzen nahm er privaten Kunstunterricht bei Eva Underberger und absolvierte im Anschluss seine Ausbildung zum Schauwerbegestalter, bevor er 1982 das Kunststudium an der Freien Kunst Akademie Nürtingen begann. 1988 gründete er die Initiative „Kunst vor Ort – Installationen im Öffentlichen Raum“. Seit 1995 hält Markus Wilke verschiedene Dozenturen an verschiedenen Akademien und ist seit 2014 Mitglied des VBKW (Verband Bildender Künstler und Künstlerinnen Württemberg).

In den letzten Jahren präsentierte Markus Wilke (G)ruppen- und (E)inzelausstellungen in der gesamten Bundesrepublik Deutschland, wie z.B. 2017: Um-Welt, Galerie die Trappe, Nürtingen (G), Projekt Frieden, Kunstpreis International, Galerie Kerstan, Stuttgart (G), Zeitkunst, Kunstverein Baden-Baden (G); 2016: Wechselwirkungen, galerie periepherie, Tübingen (E), Neue Aspekte der Landschaftsmalerei, 29. Kunstpreis der KSK Esslingen (G), Körperphantasien, Kunstverein Kunstwerk, Fellbach (G), Sichtung, K3S Kunst in der Kanzlei, Filderstadt (E); 2015: Transformation, Galerie im Gewölbe, Reutlingen (E), Heimspiel, Kunstverein Reutlingen (G), Geschichten sehen, Reutlinger Stadtbibliothek, (G); 2014: Querverweise und andere Katastrophen, Museum Bad Hersfeld (E), Alb-Komplementär, Tulpenblüte Gönningen (E), ...und ewig locken die Wälder, Kunststück Berlin (G), Abfall-Einfall-Kunst, Städtische Galerie Wörth (G); oder 2013: Überblick, Galerie Griesshaber, Tübingen (E), Trashcorner, Fliegende Galerie, Reutlingen (G).

 

 

Die hier gezeigten Arbeiten aus Markus Wildes DNA-Serie sind in den Jahren 2003/04 entstanden. Alle Arbeiten sind: Acryl auf Leinwand in der Einzelgröße 70 x 70 cm, auf der Rückseite signiert. Wenn Sie näheres über Markus Wilke und seine Kunst erfahren möchten, kontaktieren Sie uns bitte hier.

 

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