Katharina Bock - 6 x 6

Wenn sich die Geschlechter vereinigen, kommt es zum hoch energetischen Austausch zweier universaler Kräfte: Weiblich und Männlich als Geschlecht, Anima und Animus als symbolische Archetypen oder Yin und Yang als die kosmischen Urkräfte des chinesischen Tao. Sinnbildlich für unsere subjekt-verlorene Zeit zeigen die Miniaturen von Katharina Bock die Antagonisten als gesichtslose, anonyme Geschlechter beim lustvollen, erregenden Spiel ihrer Körper.

 

 

"Die den Weg (Tao) nicht wissen, meinen, die Liebe könne der Gesundheit schaden. In Wirklichkeit hat die Liebe nicht nur das Behagen und die Lust des Leibes zum Ziel, sondern vermag auch das Herz zu besänftigen und den Willen zu stärken. Dann sind Leib und Seele gleichermaßen befriedet." (Sou Nu King, Unterweisung des Gelben Kaisers Huangdi, ca. 4 Jahrh. n.Chr.)

Die skulpturalen Miniaturen von Katharina Bock sind als künstlerische Interpretation der im antiken China entstandenen erotischen Miniaturen (oft aus Porzellan, Glas oder Elfenbein) sowie den ebenfalls weit verbreiteten, lehrbuchhaften Darstellungen der Geschlechterliebe aus dem indischen Kamasutra (meist in Form von Miniaturbildchen oder Messingfiguren) zu verstehen. In den alten asiatischen Lebensweisheiten wurde die Liebe gelobt, geliebt und sicherlich auch ausgiebig gelebt. Die Vereinigung von Mann und Frau war eine, wenn nicht die höchste Form, Harmonie und Verschmelzung in der Welt zu schaffen, die Kräfte des Himmels und der Erde miteinander in Einklang zu bringen und damit den schöpferischen Zyklus der Natur in Gang zu halten.

Im Kamasutra (sanskrit. Verse des Verlangens, seit ca. 250 n.Chr.) sowie dem (meditativ-spirituellen) chinesischen Tantra wurde die geschlechtliche Liebe zur literarischen Gattung, zur meisterhaften Kunstform und freudvollen, gesundheitsfördernden Lebenskunst stilisiert. Maskulin und feminin, männlich-weiblich, die Vereinigung der beiden Elemente gebiert das Leben und hält damit das Tao (den Weg/den Sinn) unaufhörlich in Bewegung. Die sexuelle Energie ist und bleibt die stärkste Kraft für Gestaltung und Veränderung.

Infolge dessen entstanden in Indien, China und Japan schon frühzeitig viele kunsthandwerklich ausgesprochen reiz- und anspruchsvoll bebilderte Sexdarstellungen als Lernfibeln, anatomisch genaue Modellplastiken oder einfach nur zum Herumzeigen und Vergnügen. Diese Miniaturkunstwerke, in denen sich sexuelle Techniken und Stellungen genau und mit reichen Details beschrieben fanden, konnten den unterschiedlichsten Gebräuchen dienen: als Amulett, Glücksbringer, Fetisch, Modell, Vorbild oder zum Streicheln. Darüber hinaus waren solche erotische Miniaturen beliebt um Lust und Freude zu entfachen, zur Erbauung und Kontemplation sowie zur Anschauung und Einweihung in die hohe Kunst der Liebe.
 

 

 

 

"Man bildet Ton und macht daraus Gefäße, doch auf dem Nichts darin beruht des Gefäßes Brauchbarkeit." (Lao Tse, Schöpfer des Taoteking)

Wie Katharina Bock beschreibt, sollen die Figuren ganz bewusst nur in ihrer reinen Körperlichkeit, durch Material und Plastizität, auf den Betrachter wirken. Ebenso gehört es zu ihrem (hier mit ihrer Geschlechtlichkeit identischen) Modellcharakter, dass die Figuren durch ihre Gesichtslosigkeit keinen persönlichen Ausdruck aber durch ihre absichtliche Unperfektheit doch Aktivität, Freude, Naivität und unmittelbare Direktheit ausstrahlen.

Die Miniaturen von Katharina Bocks sind nicht nur in erotischer Hinsicht ein echter Hingucker. In ihrer "reinen Körperlichkeit" und "Unperfektheit" wirken die Figuren keineswegs statisch, sondern strahlen eine ungemeine Dynamik aus. Dadurch (und durch Vereinfachung) stellen sie also kein metaphorisch-symbolisch verdichtetes Denkmal dar, sondern bilden eher einen metonymisch-modellhaften Teil-Für-Ganzes-Ersatz, so gesehen eine Art sublime Ersatzbefriedigung. Beispielsweise auf dem Nachtisch thronend, können sie zum liebevollen Nachmachen animieren und Mehrlust im Sinne eines sinnlich-erotischen Mehrwertes hervorrufen. Die "6 x 6"-Miniaturen eignen sich bestens zur Anregung und zum Hervorrufen fast vergessener angenehmer sowie erregender Erinnerungen an eigene positiver Körper- und Sinneserfahrungen.
 
Die den Figuren anhaftende Gesichtslosigkeit, mithin Anonymität, bietet neben der Referenz an eine heutige 'Sittengeschichte des 21. Jahrhunderts', in welcher im Bereich Sexualität und Erotik oft Narzissmus, Bling-Bling, Identitätsfrust oder Anonymität vorherrschen, neue Identifikationsmöglichkeiten. Wie bei Fetischen alter Zauberer und Heiler, wie beim Ausmalen eines Musters, bieten auch Bocks Miniaturen in ihrer gespannten, aufgeladenen Identitätlosigkeit an, die eigenen Erinnerungen, sexuellen Wünsche und Fantasien auf ihre bloße, lustvolle und gesichtslose Präsenze zu übertragen.

Wie die Künstlerin den Dingen durch ihre Persönlichkeit und Emotionalität Seele einhaucht, konnen wir ebenso unsere Wünsche und Fantasien oder das imaginierte Anlitz unseres Liebespartners oder -partnerin auf das Nichts der gesichtslosen Figuren projizieren (was bei herkömmlichen, personalisierten Akt- oder Sex-Porträts weitaus schwieriger ist). Aus einem weiteren Grund bieten sich die erotischen Miniaturen Von Katharia Bock zur sinnlich-sexuellen Identifizierung an: Sie sind klassenlos. Während im alten China und in den Versen des Kamasutra die erotischen Miniaturen ausschließlich in edler, prachtvoller und standesgemäßer Kulisse dargestellt wurden und dadurch beim 'gemeinen Volke' nur eingeschränkt Verbreitung fanden, können die "6 x 6"-Figuren mit jedem erdenklichen Imago aufgeladen, neu bewertet und beseelt werden.
 

 

 

 

"Der Mann gehört zum Yang. Das Besondere an desem Yang ist, dass es sich schnell belebt. Aber auch, dass es sich rasch wieder legt. Die Frau gehört zum Yin. Das Besondere am Yin ist, dass es sich sanft belebt. Aber auch, dass es nur langsam befriedigt wird." (Yu Fang Mi Ju, Die Geheimnisse des Jadezimmers, ca. 4. Jahrh. n.Chr.)


Die Kleinskulpturen aus der "6 x 6"-Reihe sind zwischen 10 cm und 15 cm groß und bestehen aus Polymerton. Bisher wurden sie noch nirgendwo gezeigt oder veröffentlicht und es handelt sich um originäre, handgefertigte Einzelstücke, die in einer kleinen Auflage von Katharina Bock (*1968) in ihrem Studio in Dortmund hergestellt werden.

'6 x 6' hat auch eine Bedeutung für die Definition dessen, was Miniaturkunst ist. Kleinfiguren sowie Miniaturmalerei bilden ein künstlerisches Genre, das sich vor allem auf Malerei, Gravur und Skulptur bezieht. In seiner langen Geschichte wurde die Miniatur im asiatischen und arabischen Raum in langer Tradition gepflegt, bevor sie in Europa durch die Schreiber des Mittelalters übernommen wurde. Miniaturkunst-Gesellschaften, wie der Weltverband der Miniaturisten (WFM), bieten aktuell eine anwendbare Definitionen des Begriffs 'Miniatur', die für Ausstellungen und Auktionen ein wichtiges Kriterium darstellt.

Die dem gemäße Definition lautet, dass ein Stück Miniatur in der Handfläche gehalten werden kann und dass es weniger als 25 Quadratzoll (161 cm2) Fläche bei Gemälden sowie maximal 6 X 6 Zoll (je 15,24 cm) bei Skulpturen bedeckt. Der von der WFM definierte “Geist der Miniatur” umfasst außerdem die Liebe zum Detail sowie die 1/6 Regel zur Größe von Objekten. Miniaturen dürfen nicht größer sein als 1/6 ihrer Originalgröße, sofern diese wiederum nicht zu klein ist, um 1/6 davon abzubilden. Mit maximal 15,24 cm in allen Dimensionen entsprechen die Kleinplastiken von Katharina Bock also ohne weiteres den vom Miniaturisten-Verbande geforderten Kriterien.

Die Figuren aus der "6 x 6 x Kitchen"-Reihe sind in Form von Fotografien zu erwerben. Pro Figur wird es eine limitierte Auflage von jeweils 11 Stück geben (6 x 11 = 66). Diese sehen zwar gleich aus in der gleichen Stellung, sind jedoch jeweils per Hand modellierte Einzelstücke und keine gegossenen Duplikate.

 

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