Hajo Horstmann - Umkreisen

Umkreisen beschreibt Hajo Horstmanns Art des Aktzeichnens. Er variiert die stille Pose des Modells, indem er ihre Ansichten aus unterschiedlichen Blickwinkeln darstellt. Dabei umkreist er die Modelle in steter Bewegung, während er die schnellen Bilderfolgen zeichnet. Seinen aquarellierten Aktzeichnungen wohnt sowohl die natürliche Erotik des Körpers inne, ebenso wie sie Ausdruck innerer Bewegtheit des Künstlers sind und seinem Kreislauf schöpferischer Aktivität.

 


"Der Schwerpunkt meiner künstlerischen Produktivität liegt bei den Aktzeichnungen. Es gibt für mich auf diesem Planeten keinen schöneren und vollkommeneren Körper als den des Menschen - trotz aller Einwände von Theologen, Philosophen, Psychologen, Molekularbiologen etc. Meine Aktzeichnungen sollen nicht Begierden hervorrufen, denn die freie Kunst dient keinem Zweck, sondern Linienführung und Farbspiel sollen per se ästhetisches Gefallen erzeugen. Gegenstand meiner Darstellungen ist das Ideal-Typische der beiden Geschlechter in ihrer fast unendlichen Vielfalt und Variation in Ansicht und Bewegung: Der von der Natur abgelöste Schein stellt für mich das Schöne dar." (Hajo Horstmann in einer Selbstdarstellung)

 

 

 

 

Lange Zeit gehörte das Aktstudium zur Grundausbildung von Kunststudierenden und war in den Stundenplänen der Akademien fest verankert. Noch heute hat fast jede traditionsreiche Kunstakademie einen Raum der sich "Aktsaal" nennt. Seit den 60er-Jahren ziehen sich viele Künstler und Künstlerinnen im Zuge einer zunehmenden Tendenz zur Selbstbezüglichkeit in der Kunst lieber selber nackig aus oder setzen Nacktheit lieber in den Genres Performance, Fotografie und Videokunst ein, als eine Zeichnung oder ein Gemälde des unbekleideten, puren Menschen anzufertigen - und das schon gar nicht als Zeichenübung. Wie langweilig! Aktzeichnen und Aktmalen als Teil der Künstlerausbildung scheint etwas - merkwürdigerweise - Biederes anzuhaften. Es riecht irgendwie nach 19. Jahrhundert und der künstlerisch-frechen Koketterie mit den züchtig-strengen Sitten der damaligen bürgerlichen Kultur.

 

Ist klassische Akt-Kunst also obsolet geworden in unseren postmodernen Zeiten? Oder gibt es gar die gesellschaftliche Tendenz, Nacktheit und Erotik nach Jahrzehnten des (aus der Sicht eines Moralapostels gesehen) Sittenverfalls, der Zügellosigkeit, Frivolität und Obszönität in der westlichen Kunst und Kultur im Zuge der sexuellen Aufklärung, nun alles Anzügliche und Frivole wieder mit Moral und Schuld zu konfrontieren und so zu marginalisieren und an den sozialen Rand zu drängen? Abseits solcher und ähnlicher Debatten, die zur Kultur auch gehören, gibt es sie jedoch noch (oftmals sind es die reiferen, um nicht zu sagen, älteren Semester), die Künstler, die sich weiterhin dem Thema der Akt-Kunst widmen. Einer der begabtesten und eifrigsten von ihnen ist sicherlich Hajo Horstmann.

 

"In Bezug auf Aktzeichnungen/Aktaquarelle glaube ich ein „Alleinstellungs-Merkmal“ zu besitzen: ich fertige Serien an, d.h. 2 bis 4 Ansichten derselben Pose des Modells, in schneller Folge gezeichnet. Diese Technik wird an keiner Akademie gelehrt und meines Wissens auch von keinem bekannten Künstler angewendet. Meine Aktstudien werden NICHT nachgearbeitet, sondern spontan in der jeweiligen Sitzung vollendet. Nur so bleibt das Werk "frisch"! Wenn ich allein (außerhalb eines Zeichenkurses, zB. VHS) mit einem Modell arbeite, kann die gleiche Pose nachgestellt werden und so mehr als 3 Ansichten abgeschlossen werden." (Hajo Horstmann zu seiner Arbeitsweise)

Als freier, bildender Künstler arbeitet Hajo Horstmann in verschiedenen Techniken: Malerei (Öl- und Wasserfarben); Grafik (Zeichnen mit Farbstift und Rohrfeder, Aquatinta- und Farbradierung, Computergrafik); Bildhauerei (Lindenholz und Bronze). Seine Motive sind: der menschliche Körper (Akte, Tanz, Sportler), Landschaft und Stillleben. Diese Techniken hat er sich im Selbststudium und in speziellen Kursen sowie auf seinen umfassenden Reisen in aller Welt angeeignet. Was er der Welt nun aus seinen gesammelten Erfahrungen zurück gibt, sind nicht zuletzt die Kraft und Ausdauer seiner Kunst sowie das Gefühl für die Schönheit und Anmut des menschlichen Körpers.


Der Ausstellungstitel "Umkreisen" soll ein starker Hinweis darauf sein, die Originalität der Arbeiten Horstmanns auch als eine Art 'Inbewegungsetzen' einer sonst stillen, starren Aktpose zu begreifen. Dementsprechend sind die Serien so zusammengestellt, dass Bilder der selben Pose (erkennbar am selben Datum) mit Bildern einer (ver)gleich(bar)en oder sehr ähnlichen Pose (aber an unterschiedlichen Tagen gezeichnet) zu einer Serie zusammen gezeigt werden. Diese Zusammenstellung verfolgt die Idee, dass ein Besucher, eine Besucherin der Seite, die einzelnen Bilder noch eingehender und genauer studieren wird, um die feinen, minimalen Unterschiede und Nuancen zwischen den Einzelbildern aufzuspüren.

 

 

 

 

Wie auch bei Wikipedia nachzulesen ist, bilden die Begriffe Akt (lateinisch actus, griechisch energei) sowie Potenz (lateinisch potentia, griechisch dynamis) eine Art Gegensatzpaar im philosophischen Sprachgebrauch. „Potenz“ bezeichnet dabei die noch nicht realisierte Möglichkeit, zu der aber ein Vermögen (Fähigkeit) oder eine Voraussetzung besteht. „Akt“ hingegen bezeichnet die Realisierung oder Verwirklichung dieser Möglichkeit.

Dieser Begriffsgebrauch geht auf die Naturphilosophie des Aristoteles zurück. Dabei kann außerdem zwischen aktiver und passiver Potenz unterschieden werden. Die passive Potenz bedeutet die Bereitschaft, die Empfangsmöglichkeit einem Akt gegenüber. Passive Potenz hat zum Beispiel ein Stück Lehm, das zu einem Frauenkörper geformt werden könnte. Aktive Potenz wiederum bedeutet das Vermögen, selbst solch einen Akt hervorzubringen, also schöpferisch tätig zu werden. Aktive Potenz hat so gesehen ein Künstler wie Hajo Hoffmann, der aus dem Stück Lehm oder aus Kreide und Papier den wunderschönen Frauenakt formen kann.

Für Aristoteles hatte die Wirklichkeit eine grundsätzliche Priorität vor der Möglichkeit (was in Zeiten von Postmoderne, Dekonstruktivismus und Fake News wahrlich keine Selbstverständlichkeit mehr ist). Als erstes Prinzip seiner Kosmologie setzte Aristoteles als Tatsache, als Faktum, eine aktive Potenz, die er "einen unbewegten Beweger" nennt - nicht etwa nur eine ungeformte Materie mit passiver Potenz zur Veränderung. Deswegen würde Aristoteles nicht zögern bei der Antwort, wer zuerst dagewesen sei, das Ei oder die Henne: "Na, Ihr Polites, das ist doch klar - die Henne, die alte Glucke mit ihrem unbewussten Eierwunsch, sie war es!"

Dieses erste Prinzip der "Aktiven Potenz" bezeichnet er außerdem als nur auf sich selbst bezogenes, um das eigene Zentrum kreisendes Denken, welches einem späteren, zielgerichteten (Willens-)Akt voraus geht. In derartigen Erwägungen hat übrigens auch die Bezeichnung des Wesens Gottes als "Reiner Akt (actus purus)" ihren Ursprung. Es ist also ein Akt (um sich selbst kreisender) Kontemplation, der dem Akt der Schöpfung voraus geht. Mit dieser Selbsterkundung wird zugleich die (Aristoteles gemäß) vollkommenste Art einer Bewegung vollzogen und symbolisiert, nämlich die Kreisbewegung.

 

 

 

 

Hans-Joachim Horstmann, geboren 1929 in Gleiwitz/Oberschlesien, lebt seit 1945 in Erlangen. Er hat an der Universität Erlangen-Nürnberg Biologie und Chemie studiert, wurde dort 1955 als Dr.phil.Nat. in Biologie promoviert und hat sich 1964 für das Fach Physiologische Chemie habilitiert. Von 1970 bis zu seiner Pensionierung 1991 war Horstmann als Professor am Institut für Biochemie der Medizinischen Fakultät der Universität Erlangen-Nürnberg in Forschung und Lehre tätig.

 

Im Ruhestand begann Hajo Horstmanns künstlerische Tätigkeit, die mittlerweile zu einem großartigen Oeuvre von mittlerweile an die 16.000 Zeichnungen und Aquarelle und etwa 25 Skulpturen angewachsen ist. Seit 1980 zeigt er seine Kunst in vielen Einzel- und Gruppenausstellungen der Bildenden Kunst in Erlangen, Bamberg, Homburg, Karlovac, Budapest und Florenz. 2004 gewann Hajo Horstmann einen Preis für Skulptur bei der Biennale Internazionale dell´Arte Contemporanea, Florence.

 

Alle hier gezeigten Arbeiten sind Aquarellzeichnungen mit Feder, Farbstiften und Wasserfarben auf Künstlerpapier. Einzelne Bilder aber auch Serien sind als Druck erhältlich. Diese Drucke können Sie bei uns erwerben. Die Preise teilen wir Ihnen gerne auf Anfrage mit.

 

 

 

 

Wenn sie mehr über die Kunst von Hans-Joachim Horstmann erfahren wollen, wenden Sie sich bitte vertrauensvoll an die Galerie Liebreiz, über den Kontakt hier.

 

Hier und hier gelangen Sie zu den Webseiten des Künstlers.

 

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