Gunter Langer - "Solch erogene Linien...!"

"Solch erogene Linien...!", staunt ein Betrachter beim Anblick der großen, freizügigen Frauenakte von Gunter Langer, die an den Wänden der Galerie prangen. "Habe ich noch nicht gesehen", ergänzt ein Beobachter. "Wollte ich schon immer kreieren", ruft der es schuf. "Empfand ich davor nie", gesteht die sich gerne hingibt. Während er mit deutlicher, dynamischer Linienführung Schenkel und Vulva zeichnet, scheinen die hocherotischen, kessen und frechen Modelle ganz angeregt zu sein von der Aufmerksamkeit, welche der Künstler und später das Publikum den fein geschwungenen, eleganten Linien ihrer Lustzonen widmet.

 

 

Lebenslinien

 

Der 1950 in Clausnitz geborene und nahe Dresden lebende Künstler Gunter Langer geht in seinem künstlerischen Schaffen der Urkraft von Kunst und Gestaltung nach. Langers Fokus richtet sich dabei vor allem auf eine versierte Linienführung, denn Linien zu zeichnen ist für ihn eine Urhandlung des menschlichen Darstellungsdrangs. Während schon der frühzeitliche Höhlenmensch seine Erinnerungen an die Jagd auf der Höhlenwand verewigte, mit Asche, Blut oder Pflanzensaft die Umrisse von Tieren und Menschen malte, übertrug oder transponierte er die Bilder seiner Erinnerung, diese nervenfeinen, imaginären und ausgedachten Linien aus seiner, ureigenen, geistigen Sphäre in den realen, körperlichen Raum und machte sie damit auch für andere seiner Mitmenschen wahrnehm- und erlebbar.

 

Der Sinn solcher Aufzeichnungen, Konturen eines Bewusstseins, sind wiederum jeweils Ausdruck eines intensiven Schauens und Verstehens, eine Metapher für das Zusammenspiel von Körper und Geist zur Erschaffung von etwas immer wieder (ewig) Neuen als Muster eines kulturellen Mehrwertes. "Solch erogene Linien...!" - "...die fördern die Lust!", sagt der Genießende zur Geliebten, und zeichnet ihr, gleich jenen Linien, mit dem Finger zärtlich ihren Kosenamen auf den Bauch.

 

 

 

 

Linien zum Lustgewinn

 

Jüngst wird im Feuilleton viel über 'Linien' geredet: Rote Linien, Richtlinien, Linientreue, Linearität... Abgesehen davon, dass Linien und daraus entstehende Muster nur als Abgrenzung und Kontrast auf einem diffusen Hintergrund wahrnehmbar sind, ist von den bloßen Abstrakta nichts davon real, sondern bleibt imaginär, eingebildet. Gegen die Einbildung, die auch Illusion sein kann, arbeitet der Ausdruck und die Darstellungskraft so wie die mit der Hand gezogene Linie auf dem Papier, die Gunter Langers künstlerische Leidenschaft ist. In den unzähligen Zeichnungen dieses ausgesprochen produktiven Künstlers kommt seine Erfahrung zutragen, diesen immer wieder neuen Moment des künstlerischen Ausdrucks abzubilden.

 

Dabei nimmt die Linie die wichtigste Rolle ein, da sie immer nur einmal gezogen wird. Auch sie ist dem Augenblick verhaftet. So holt Langer die Linien immer wieder hervor, wenn er sie zu sehr übermalt hat. Die Linie ist für ihn der Ausdrucksträger. Gerade in abstrahierten Werken sind Linie und Haltung aufeinander angewiesen. Die Leichtigkeit der Haltung verbindet sich mit der Leichtigkeit der Linie. In dieser entsteht ein weiteres Wechselspiel zwischen offenem und geschlossenem Ausdruck, der später durch den Einsatz von Farbe noch gesteigert wird.


Gunter Langers Anspruch ist das Bildnis aus wenigen Linien aufzubauen, die nur einmal gezogen werden und dabei im einmaligen Prozess des Ziehens, diesen Linien Ausdruckskraft zu geben. Das ist der komplexe Prozess einer Abstraktion von Realität und die anschließende Transformation (sowie symbolische Rückführung ins Reale) durch einen einzigen Linienzug. Die Linie gibt einen Pfad oder Fluss vor. Sie fängt den Blick ein, der, nunmehr der Linie folgend, nicht mehr frei auf dem Blatt agiert, da die Linie, in ihrer Entstehung, alle Freiheit für sich beanspruchte. Wir sind darauf angewiesen ihrer Regie zu folgen, um zu versuchen, die Bewegung – nicht nur die des Dargestellten, sondern auch des Künstlers – als Ganzes zu verstehen. Die Linie dringt als Abbild all dieser Bewegungen in unsere Vorstellung und versinnbildlicht Gedanken über Begrenzungen und Freiheit.

 

 

 

 

Eros, Narziss und Venus durchstreifen das Kunstwerk

Die Verinnerlichung der Beobachtung – und das daraus im Geist entstandene Bild – ist ausschlaggebend dafür, dass die Linie frei durchgezogen werden kann, wobei aus einer Bewegung heraus immer gleich ganze Teile des Motivs entstehen. Starres Abzeichnen liegt Gunter Langer daher fern. Ihm geht es eben nicht um die bloße zeichnerische Kopie eines Leitbilds, welches ein geistiges Bild lediglich anleiten würde. Seine Linien verewigen gleichsam das künstlerische Momentum als komplexe, symbolische Beziehung, wie die Einmaligkeit einer bestimmten Situation oder Konstellation, welche hier als Dreigestirn aus Künstler, Modell und Zuschauendem erscheint, zu dem sich Eros, Narziss oder Venus dazu gesellen, die wie schnelllebige Planetenenergien, vor dem Hintergrund eines Sternbildes am Nachthimmel, das Kunstwerk durchstreifen um die Sinne und Wahrnehmung aller Teilnehmenden zu reizen und anzuregen.

Seit seiner Kindheit zeichnet Gunter Langer gern und viel, und so ist es auch nicht verwunderlich, dass im Erwachsenenalter fortlaufend ein breites Œvre entsteht, bei dem der Schwerpunkt auf der figurativ-realistischen Darstellung liegt. Die Darstellung des Menschen hat Gunter Langer immer begeistert. Emotionen in Linien zu übersetzen hat ihn fasziniert. Er begann mit Portraits und entdeckte später, dass der menschliche Körper ebenfalls Emotionen und Ausdruckskraft entwickeln kann. Um immer neue Bildkompositionen zu schaffen, arbeitet Gunter Langer mit den verschiedenen Modellen intensiv und nachhaltig zusammen.

Im zeichnerischen ist der Anspruch, mit einzelnen freistehenden Linien die untereinander korrespondieren und eine Harmonie besitzen mehr Ausdruckskraft zu erzeugen als es ein Foto kann. Der Farbauftrag soll das noch steigern. Für Gunter Langer ist das nicht die einfache Nachahmung der Natur, auch nicht das alleinige expressive Umwandeln der Natur in grobe Formen und Farben, sondern das Schaffen einer zusätzlichen Abstraktion der Emotionen mit deren Umsetzung die Ausdruckskraft tiefgreifend gesteigert wird. Winzige Biegungen in Konturen, Linien und Pinselstrichen können dabei schon solch emotionale Wirkung evozieren.

 

 

 

 

Blickfang durch den Augenblick

Das Momenthafte ist für Langer von besonderem Interesse. Momentaufnahmen mit der Kamera haben für ihn nichts rasches, kurzlebiges, sondern etwas dauerhaftes. Seine Fotografien, die mit den Modellen im Vorfeld entstehen, behandelt er wie Skizzen, welche sorgsam aufbewahrt und archiviert werden. Langer verleiht einer Bewegung, oder dem Ausdruck des Gesichtes, eine Dauer (im Sinne eines einmaligen aber ewigen Moments, welcher nicht nur mit Glaubwürdigkeit sondern mit Wahrhaftigkeit überzeugt). Der Ausdruck transportiert hierbei die Emotion, welche den Betrachter affizieren soll. Langer legt viel Augenmerk auf eine natürliche, lebendig wirkende Körperhaltung, die den Eindruck erzeugt, die von ihm als Linie begonnene Bewegung setze sich bis in die wolllüstige Pose hinein fort.

Immer am lebenden Modell zu bleiben ist für ihn elementar. Immer wieder werden Bewegungen durchgespielt, wiederholt und mit der Fotokamera festgehalten. Dabei greift Langer nicht ein, lässt das Modell sich frei bewegen und bespricht mit diesem erst im Nachhinein, was verbessert werden sollte, damit der emotionale Ausdruck der Haltung ganz zur Geltung kommt. Diese Zusammenarbeit bildet die Voraussetzung für Langers Bilderzeugnisse und deren Ausdrucksgehalt, wobei wirklich wirkender Zufall und Körperhaltungskenntnisse die Rahmenbedingung bilden.

"Ihr Zustand ist stabil. Ihr Blick hält sich am Betrachter fest, hält allem Stand, was da auch kommen möge. Die Bewegung ist erstarrt zugunsten ihres Blicks, denn eine Notwendigkeit zur Bewegung besteht bei ihr nicht unbedingt. Man könnte sogar meinen, sie wartet ab, was ihr Gegenüber als nächstes tut. Doch vorerst hält sie dem Blickwechsel unentwegt stand, da sie diesen für alle Zeit aushalten kann. In ihrer Dauer ist sie den Betrachtern überlegen, da sie es in jedem Fall gewinnt, das Spiel: wer zuerst blinzelt der verliert. Sie lässt die Vorstellungen des Betrachters, in einem endlosen Wechselspiel des Blickens, ohne die Aussicht auf Bewegung, verstummen. Hier ist die Stille des Blicks bedeutend. Das Warten wird zur ästhetischen Erfahrung." (Ivo Krys zum erotischen Kontaktmoment zwischen Modell sowie Betrachtendem eines Bildes von Gunter Langer)

Wer aber fragt heute noch danach, wie lange ein Modell wohl ausharren musste, damit der Künstler oder die Künstlerin es so abbilden konnte? Welche Vorbereitungen benötigt es, damit, gerade beim Darstellen von Posen und Bewegungen, überzeugende Bilder entstehen?

 

 

 

 

Wenn Sie Fragen zu den Werken und der Person des Künstlers Gunter Langer haben, wenden Sie sich bitte vertrauensvoll an die Galerie Liebreiz, hier...

 

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