Karl-Heinz Bethmann - Gebunden Ungebunden

Die Haut ist einzigartig. Die Haut ist weich. Die Haut ist warm. Die Haut schimmert. Die Haut ist verführerisch. Die Haut duftet. Die Haut pocht. Die Haut ist transparent. Die Haut ist verletzlich. Die Haut zieht sich zusammen. Die Haut dehnt sich aus. Die Haut verheißt. Die Haut verbirgt. Die Haut lebt von innen. Die Haut ist wie Alabaster. Die Haut ist der Ton in meinen Händen. Die Haut ist die Gestalt in Deinen Armen, Deinen Fesseln, die mich befrei'n. Die Haut ist Sinn, die Haut ist Sein.

 

 

Was Karl-Heinz Bethmann bei seinen Wandskulpturen mit dem Material Gips anstellt, verblüfft. Es sind nicht nur Ausführung, Plastizität und Feinheit der erotischen Körperabgüsse, welche die Körperrelief-Serie "Gebunden Ungebunden" so faszinierend machen. Ebenso ist es das Ritual ihrer Entstehung, eines erlebnisorientierten, künstlerischen Schaffens sowie einer prozessgeleiteten Huldigung, mithin Zelebration der weiblichen Form, aber auch der gestalterischen Funktion - von Material, Gusstechnik, Körperlichkeit und Haut -, die der gelernte Bildhauer hier in seinen neuesten Arbeiten präsentiert.

"Gebunden Ungebunden" meint sowohl die sprichwörtlich fesselnde, wie auch die unbewusst entfesselte Aufmerksamkeit, die Rezipient und Künstler, mittels der Metaphorik des Kunstwerkes (nicht zu vergessen der Hingabefähigkeit des Modells) miteinander verbindet. Die erotische Darstellung betört und fesselt zwar ersteinmal die Aufmerksamkeit. Der dahinter versteckte Herstellungsprozess der Arbeiten darf aber nicht von dem fertigen Werk, dem Künstlerideal, getrennt, abgespalten werden. Dementsprechend birgt die polierte, in porentief reinem Weiß gestaltete Oberfläche der Reliefs (vermittelt über den Archetypus der Schönheit des weiblichen Körpers) auch Sinnlichkeit und Verheißung einer sanften, zärtlichen Berührung der warmen, weichen, wogenen und wie Alabaster schimmernden Haut der Geliebten. Auf lackierte, schwarze Quadrate montiert, wirken die wohligen Gipsabdrücke in ihrem heraus stilisierten, scharfen Schwarz-Weiß-Kontrast fast wie Yin-und-Yang-Symbole, wie die Elemente des Lebens, die männlichen und weiblichen Ströme, unbekümmert und geborgen in der Ganzheit ihres ewigen, harmonischen Liebespieles, das die Lust am eigenen Wirken ist.


 

 

Eindrucksvoll können die kontemplativen aber auch erregenden Arbeiten Bethmanns ein erotisches Kopfkino bei den Betrachtenden evozieren: Zuerst Bilder einer lustvollen Annäherung zwischen Künstler und Modell, eines neugierigen und zutiefst intimen Abtastens, dann zu dem, einem Vorspiel ähnlichen Reifeprozess zwischen dem Künstler und seinem Modell, währenddessen verschiedene Körperpositionen und dann die Verknotungen ausprobiert und später das Material auf dem Körper des Modells aufgebracht werden. Im weiteren Verlauf des Prozesses, den der Künstler dann allein absolviert, tritt der anstrengende, schmutzige, zähe und arbeitsame Herstellungsprozess immer deutlicher hervor, den die Sinnlichkeit und Feinheit der zu realisierenden Künstleridee voraussetzt.

Trotz der eher traditionellen Technik der Arbeit mit Gips, die Bethmann auch als Stukateur zu beherrschen lernte, führt seine spezielle und detaillierte, feine Nachbearbeitung zu solchen einzigartigen - trotz der seriellen Herangehensweise - exklusiven und originalen Abdrücken. Wenn es zudem zu Bronzeabgüssen der Reliefs kommen sollte, was wiederum eine sehr aufwändige, anstrengende, mehrgliedrige und teure Arbeit wäre, stellten schon die Gipsarbeiten nicht nur ein Zwischenstadium zur künstlerischen Vision, sondern formal in sich geschlossene, vollendete Werke dar.

 

 

 

 

Bethmanns Bindungen folgen weniger dem Thema der sexuellen Obzession als dem der künstlerischen Vision und ihrer Umsetzung. Neben der Kunst ist da die Arbeit mit dem Modell, die ein hohes Maß an Geduld und intimer Toleranz bei der betreffenden Person voraussetzt. Mit seinen Knotungen experimentiert Bethmann weniger nach Vorlage des durch seine erotischen "Fesselspiele" bekannten Fotografen Nobuyoshi Araki, dessen Modelle mit ihren immer ergebenen Blicken oder traurigen und entrückten Gesichtern zumeist von Unterlegenheit, Ohnmacht und Knechtschaft erzählen sowie von der männlichen Angst vor der Frau (und damit dem Wunsch nach ihrer Einschnürung und Fesselung). Auch die Kunst Bethmanns ist beseelt von der Leidenschaft für die ubiquitäre Schönheit des Weiblichen, sein Ansatz ist dabei jedoch weniger die provokante, künstlerische Inszenierung oder Darstellung sexueller Obzession, sondern wie beim Liebesspiel das Genießen des Körpers als Material.

 

 

 

 

Erotischen Fesselungen firmieren im Westen unter dem Begriff "Bondage". Nobuyoshi Araki selbst benutzt lieber den Ausdruck "Kinbaku-bi", wie die "Kunst und Schönheit des festen Schnürens und Blumenbindens“ in Japan genannt wird. "Bondage ist, jemanden gefangen zu halten. Kinbaku ist dagegen wie eine Umarmung, ein Akt der Liebe", sagte der umstrittene Fotograf einmal. Diesem Eindruck würde sicherlich auch Karl-Heinz Bethmann zustimmen, auch wenn er einen weniger sexuellen, als strukturellen Zugang zu dem Thema zelebriert, bei dem die Erfahrung mit dem Material und dem Machbaren der Kreation, also dem Schöpfen eines Körpers aus einer Idee heraus, im Fokus liegt.

Wenn Karl-Heinz Bethmann im November und Dezember seine Wandskulpturen im IMAGO-Kunstverein Wedemark e.V., Am Markt 1, in 30900 Wedemark, zeigt, will ich hoffen, dass seine Werke an der Wand durch eine Kordel symbolisch vor begierigen Griffen und damit Flecken und Fingerabdrücken geschützt werden, denn auch ich verspürte bei meiner ersten Begegnung mit diesen glänzenden Objekten sogleich den ausgeprägten haptischen Drang, die feinen, weichen und sinnlichen Körperlandschaften zu streicheln und zu liebkosen, so wie den Bauch der, in Anmut, Liebreiz und unbefleckter Verheißung, in ewigem Marmorweiß glosenden Venus von Milo im Louvre.

 

 

 

 

Karl-Heinz Bethmann, Jahrgang 1952, studierte Bildhauerei bei Prof. Helmut Rogge und Dietrich Klakow an der Fachhochschule für Kunst und Design Hannover und schloss mit dem Diplom ab. Seit 1984 arbeitet er als freischaffender Bildhauer. Seine Ausstellungstätigkeit im In - und Ausland umfasst einen Zeitraum von mehr als 20 Jahren. Für Karl-Heinz Bethmann sind Grenzüberschreitungen in jeder Hinsicht von großer Bedeutung. Sein bildhauerisches Schaffen hat er stets mit zeichnerischer Tätigkeit begleitet. Lithographien, Bleistiftzeichnungen und Zeichen in Mischtechnik auf Papier und Rupfen stehen in Wechselbeziehungen zum plastischen Werk.

Seit jeher pflegt Bethmann den Austausch mit internationalen Künstlern. Zudem interessiert ihn die Sparten übergreifende künstlerische Arbeit. So war er als Bühnenbildner an mehreren Theaterprojekten beteiligt und wirkte bei Performances mit, die Plastik, Tanz und Musik zu einem multimedialen Spiel zusammenführten. Karl-Heinz Bethmann lebt und arbeitet in Hannover und Schwüblingsen.

 

Für Anfragen zu den Arbeiten von Karl-Heinz Bethmann, alle 50-55 cm hoch, aus bemaltem Gips, montiert auf eine 60 x 60 cm große, schwarz lackierte Platte, schicken Sie uns bitte eine kurze Mail hier...

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